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Schnappschuss: Gepäck vor einem Storage in Asien, rechts Koffer für Langwaffen.

Zwischen Rent–a–Gun und Floating Armouries

Gespräch mit einem maritimen Sicherheitsdienstleister in Deutschland

Von Helmut Brückmann

Der Bundestag hat am Donnerstag, den 13. Dezember 2012 mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP und SPD, bei Enthaltung der GRÜNEN und den Gegenstimmen der LINKEN das Gesetz zur Einführung eines Zulassungsverfahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen (§ 31 Gewerbeordnung) beschlossen. In der über 111-jährigen Geschichte des Gewerbes gab es nur vier gravierende Änderungen der Gewerbeordnung (1927: Einführung des 34 a mit der Zuverlässigkeitsprüfung; 1996: Unterrichtungsverfahren; 2002: Sachkundeprüfung; 2012: § 31 Zulassungsverfahren für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen). Es ist bei Insidern bekannt, dass über 99 Prozent der – derzeitigen – Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) kein Interesse an dieser Tätigkeit haben. Für den BDSW ist das klare Votum des Bundestages Ausdruck dafür, dass Bundesregierung und Parlament den Schutz von deutschflaggigen Schiffen nicht als hoheitliche Aufgabe ansehen. Damit wird ein neues Geschäftsfeld für private Sicherheitsdienste eröffnet, während dem Chronisten ob des in der Vergangenheit landauf, landab beschworenen Gewaltmonopols des Staates ein Donnerlittchen entfährt.1

Tatsächlich gibt es zurzeit in Deutschland nur drei nennenswerte Unternehmen, die sich mit maritimer Sicherheit befassen. Eines dieser Unternehmen ist ISN International Security Network GmbH mit Sitz in Karlsruhe und im Baden-Airpark. Chefredakteur Helmut Brückmann sprach Anfang des Jahres mit Geschäftsführer Jérôme F. Soiné.

„Braucht man denn überhaupt ein Gesetz und eine Ergänzung der gültigen Rechtsvorschriften?“, beginne ich das Gespräch.
„Braucht man nicht“, ist die klare Antwort, „denn die unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe sind deutsches Hoheitsgebiet. Und hier gilt deutsches Recht, auch zum Beispiel das deutsche Waffenrecht. Warum sollte ein deutsches Sicherheitsunternehmen nicht auch ein deutsches Schiff schützen dürfen? Geschäftsführer Jérôme F. Soiné Die GSG 9 in St. Augustin zum Beispiel wird ja auch von einem deutschen Sicherheitsunternehmen bewacht. Oder nehmen Sie die Kernkraftwerke, die von bewaffneten deutschen privaten Sicherheitsunternehmen seit Jahrzehnten bewacht werden.“ Bleiben wir bei der Schifffahrt. Und hier liegt das Problem darin, dass von Deutschland ein Schiff losfährt und zunächst mal keinen Schutz braucht, sondern erst dann, wenn es südlich des 17. Breitengrades unterwegs ist. Und jetzt sagt der Kapitän: „Ab jetzt möchte ich geschützt werden“. Nach der sog. Roten Zone (High-Risk-Area) braucht er den Schutz nicht mehr. Deshalb haben sich die Reeder an die Bundesregierung gewandt und um entsprechenden Schutz in der Gefahrenzone gebeten. Und den konnte oder wollte die Bundesregierung nicht garantieren.2 Und schon war man bereit, ein Gesetz zu schaffen und die Gewerbeordnung zu ergänzen.

Es ist kein Fall bekannt, wo eine Heilige Kuh des Staates, nämlich das Gewaltmonopol, so schnell und buchstäblich über Bord geworfen worden wäre. „Dabei“, sagt Soiné, „sind wir, also mein Unternehmen, schon seit 2008 fortwährend im maritimen Geschäft. Legal, versteht sich.“ In der Tat, das Unternehmen hat eine Bewachungsgewerbeerlaubnis ohne Einschränkung: zu Land, Luft und See. Mein Gesprächspartner verdeutlicht mir das: „Wenn Sie bei mir anrufen und wollen Ihren Vorgarten wegen teurer Skulpturen bewaffnet bewacht haben, dann kann ich das legal tun.“ Und wo liegt die maritime Problematik? Die Aufklärung ist verständlich: „Der Kapitän bzw. die Reederei verlangt aus Kostengründen nur für die bekannten Piratengebiete den Schutz. Und für uns besteht der logistische Aufwand, unsere gesamte Ausrüstung samt Waffen und Mannschaft an den Einsatzort zu bringen.“ Der Auftraggeber verlangt also den Schutz, wie er auch einen Lotsen verlangt, wenn er durch den Suezkanal fährt. Doch die Mannen von Soiné sind im Gegensatz zum Lotsen bewaffnet und steigen in irgendeinem Hafen zu. Neben den Waffen haben sie auch eine Menge weiterer Ausrüstung dabei. Und das kann Ärger bedeuten: „Bleiben wir bei dem Beispiel Ägypten. Ich muss ja mit Waffen und Ausrüstung zu dem Hafen gelangen, wo mein Kunde samt Schiff wartet. Und der ägyptische Zoll. Der sagt mir, dass wir willkommen sind, aber ohne Waffen, ohne Funkgeräte, ohne Satellitentelefone und so weiter. Da stehe ich also in Port Said wie ein nackter Mann und muss von meinem Kunden, dem Reeder, anhören, dass er mich so nicht gebrauchen kann. Jetzt bräuchte ich als deutscher Unternehmer Unterstützung von meinem Land, vom Auswärtigen Amt. Die deutsche Vertretung in Ägypten müsste tätig werden, damit dieses deutsche Unternehmen mit Schusswaffen an Bord eines deutschen Schiffes gehen darf. Das Auswärtige Amt ist aber gar nicht in das Verfahren eingebunden. Natürlich fühlt sich auch nicht die EU angesprochen, sodass ich letztlich ganz auf mich allein gestellt bin. Die beabsichtigte gesetzliche Neuregelung wird die Probleme vor Ort nicht lösen, denn es sind internationale Probleme, die gelöst werden müssen.

Das gesamt Vorhaben wird unsere Branche nur mehr Geld kosten, denn die neu aufzubauende Verwaltung kostet Geld. Obwohl unser Unternehmen seit vier Jahren diese spezielle Dienstleistung betreibt, erfolgreich betreibt, hat sich aus Berlin noch niemand gemeldet, um sich wenigstens nach unseren Erfahrungen zu erkundigen, damit diese möglicherweise bei dem Gesetzesvorhaben berücksichtigt werden. In Deutschland sind wir mit einer hohen zweistelligen Anzahl zu beschützenden Schiffen pro Tag der größte maritime Sicherheitsdienstleister. Doch während der gesamten Zeit der monatelangen Diskussion hat noch keiner gefragt, wo unsere Probleme liegen, wo die Politik unterstützen kann. Ich hätte dann gesagt, dass der § 34 a Gewerbeordnung (GewO) in seiner jetzigen Form ausreichend ist. Natürlich sperren wir uns nicht gegen eine gesonderte Sachkundeprüfung, da solche Prüfungen bisher zum Beispiel nicht den Umgang mit Langlaufwaffen erfassen.  Mit einer solchen Waffe kann bei unsachgemäßem Umgang viel höherer Schaden entstehen als mit einer Pistole, noch dazu auf einem Schiff, das viele Metallteile hat. Selbst bei unbeabsichtigter Schussabgabe ist das Querschlägerrisiko relativ groß. Auf die Waffenausbildung wird daher bei meinem Unternehmen ein besonderes Gewicht gelegt, gleich, welche Vorkenntnisse jemand von der Polizei oder der Bundeswehr mitbringt. Ich bin für qualifizierte Ausbildung und dafür reichen die geltenden Bestimmungen aus. Für mich haben die neuen, in Bearbeitung befindlichen Vorschriften nur den Grund, auch englischen, amerikanischen und israelischen Sicherheitsfirmen den Zugang zum deutschen Markt zu erleichtern.“


Rent a Gun

Und so groß ist der Markt in Deutschland auch wieder nicht, denn unter deutscher Flagge fahren nur rund vierhundert Schiffe, und von denen fährt wiederum nur ein kleiner Prozentsatz durch die Rote Zone. Haben denn die ausländischen Sicherheitsfirmen ähnliche Probleme wie die deutschen? Die Antwort kommt ohne zögern: „Die haben noch größere Probleme als wir. Wir in Deutschland haben ein deutsches Waffengesetz. Das, was wir transportieren, ist nach deutschem Recht legal und durch die für mich zuständige Erlaubnisbehörde freigegeben. Die Engländer zum Beispiel haben solche Bestimmungen überhaupt nicht.“

 

Securitas

 

Da ist schon die Frage erlaubt, wie die englischen Sicherheitsfirmen verfahren: „In England gibt es kein Waffengesetz, und man kann keine Waffen legal kaufen. Die Engländer behelfen sich, indem sie Offshore-Firmen gründen wie zum Beispiel in Dschibuti. Man kann auch Schusswaffen mieten wie beim Ministry of Defense in Sri Lanka. Intern nennen wir das ‚Rent a gun’. Inzwischen gibt es sogar so eine Art Broker für die maritime Sicherheit. Darunter verbergen sich Sicherheitsdienstleister, die zwar Verträge mit den Reedereien abschließen, aber tatsächlich kein operatives Geschäft betreiben. Sie bedienen sich dafür eines oft zweifelhaften, aber billigen Subunternehmers. Meist kommen dann drei Srilankesen an Bord und betreuen das Schiff durch die Rote Zone.“ Man braucht kein besonders gutes Vorstellungsvermögen, um sich die Qualität einer solchen „Sicherheit“ auszumalen. Neben der Qualität hat Rent-a-Gun den zweifelhaften Vorzug, besonders billig zu sein. Das mag den Reeder und Kunden erfreuen, solange nicht der Ernstfall eintritt. Seriöse Anbieter können wegen der Marktpreise nicht mithalten, wollen sie ihre Qualität erhalten. Wenn nun für deutsche Firmen vom Gesetzgeber eine Mindestqualität vorgeschrieben wird, haben deutsche Firmen auf dem internationalen Markt keine Chance, denn kein deutscher Reeder ist verpflichtet, deutsche Sicherheitsfirmen anzuheuern, Qualität hin oder her. Neben der geforderten Qualität bleibt den deutschen Unternehmen noch immer das bisher ungelöste Problem, wie sie ihre Ausrüstung im Einsatzgebiet an Bord bringen. Und das ist kein deutsches, das ist ein internationales Problem.


Floating Armories

Die bereits mehrfach zitierten Briten haben eine Lösung gefunden: Sie schicken Versorgungsschiffe in die High-Risk-Gebiete, von denen die Sicherheitskräfte samt Ausrüstung von den gefährdeten Schiffen auf hoher See übernommen werden. Am Ende des gefährdeten Reiseabschnittes steigen sie dann wieder auf ein dort wartendes Versorgungsschiff und warten auf ein Schiff, welches auf der Rückfahrt bewaffneten Schutz benötigt. Ein einleuchtendes Verfahren. Warum verfahren die Deutschen nicht ebenso? Jérôme F. Soiné winkt gleich ab: „Wir haben für dieses Verfahren nicht die nötige kritische Masse, um wirtschaftlich operieren zu können. Dazu benötigen wir zwischen 50 bis 80 Embarcations pro Monat. Und die haben wir nicht. Ein britischer Mitbewerber hat uns eine Mitbenutzung seines Versorgungsschiffes angeboten, gegen Bares, versteht sich. Doch das Angebot müssen wir ausschlagen – aus rechtlichen Gründen, denn ich darf nach deutschem Recht unsere Schusswaffen nicht auf einem nichtdeutschen Schiff deponieren und schon gar nicht „Unberechtigten“ – gemäß Waffengesetz vorübergehend überlassen. Einer ausländischen Behörde, zum Beispiel der Polizei in Port Said könnte ich hingegen meine Waffe zum Aufbewahren übergeben. Ein Fall für die deutsche Diplomatische Vertretung, wie bereits erwähnt. Für deutsche Polizeibeamte oder Personenschützer wäre das kein Problem und wird oft praktiziert. Einem fremden Sicherheitsunternehmen darf ich meine Schusswaffen hingegen nicht übergeben, auch nicht zur Aufbewahrung.“

 

Mobotix

 

In den neuen Bestimmungen ist vermerkt, dass die neuen Vorschriften natürlich nur für Schiffe unter deutscher Flagge gelten. Wer alle Bestimmungen erfüllt, erhält von der Zulassungsbehörde ein entsprechendes Zertifikat. „Was aber“, sagt Soiné, „geschieht, wenn einer aus der Verwaltung auf die Idee kommt, dass ein deutsches maritimes Sicherheitsunternehmen immer dieses Zertifikat benötigt, gleich, unter welcher Flagge der Kunde fährt?“ Soiné gibt auch sogleich die Antwort: „Ich würde dann mein Unternehmen ebenfalls ins Ausland verlagern. Ich wäre schon aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen. Ich habe bereits konkrete steuerlich verlockende Angebote aus dem Ausland vorliegen. Warum sollte ich weiterhin in Deutschland hohe Steuersätze zahlen, wenn mir das europäische Ausland deutlich günstigere Konditionen bietet? Was soll ich von unseren Behörden halten, die offenbar tolerieren, dass eine deutsche Großreederei von einem britischen Sicherheitsdienstleister bewaffnet betreut wird? Das ist in meinen Augen zunächst ein Verstoß gegen § 34 a GewO und ein Verstoß gegen das deutsche Waffenrecht. Auf meine Nachfrage erhielt ich die Antwort, dass das im Moment so geduldet würde. Interessant, nicht wahr? Wenn Sie oder ich bei Rot über die Kreuzung fahren, dann ist der Führerschein für eine Weile weg und in Flensburg gibt es Punkte. Wenn PVI, um das Kind beim Namen zu nennen, bewaffnete Mitarbeiter auf ein unter deutscher Flagge fahrendes Schiff schickt, dann wird das geduldet. Da fliegt mir das Blech weg.“
Mein Gesprächspartner hat sich in Rage geredet. Verständlich.

 

[1] Der Verband ergriff die neue Lage auch gleich beim Schopfe und fordert: Wenn die Bundesregierung bzw. der Gesetzgeber künftig den Schutz von deutschen Schiffen regelt, so muss dies erst recht für Veranstaltungen, für den ÖPV und Kritische Infrastrukturen gelten. Wir fordern deshalb analog zum § 31 der Gewerbeordnung die Einführung eines neuen § 32 in die Gewerbeordnung mit der gleichen Grundstruktur: Höhere Anforderungen für private Sicherheitsdienste im Gewerberecht und die Verpflichtung der Auftraggeber, nur diese zertifizierten Unternehmen auch einzusetzen. Damit lassen sich die Vorgaben der Innenministerkonferenz nach einer Zertifizierung von privaten Sicherheitsdiensten umsetzen.

[2] Siehe auch Beitrag von Bernd Walter „Piratenjagd mit Jagdwaffen“ in dieses Ausgabe, Rubrik SPECIAL.

 

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