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 SEK und Zoll bei dem gemeinsamen Einsatz in Bochum-Wattenscheid gegen einen Sicherheitsdienstleiser

Im Visier des Zolls

Über Abdeckrechnungen und andere Sauereien in der Sicherheitsbranche

Von Chefreporter Klaus-Henning Glitza

„Wie machen die das eigentlich“, fragen sich diverse Sicherheitsdienstleister oft genug, wenn sie trotz knappest möglicher Kalkulation noch unterboten werden. „Wenn wir schon kaum etwas daran verdienen, wie will dann das Konkurrenzunternehmen damit zurechtkommen?“ Eine plausible Antwort auf diese Frage gibt es seit Ende vergangenen Jahres.  Wer bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen spart, kann immer billiger sein als der Mitbewerb.

Tagsüber ist das Kuhviertel von Münster eines der ruhigsten Bereiche Münsters. Doch das ändert sich schlagartig, wenn die zahlreichen Gaststätten und Diskotheken öffnen. Dann ist Eventstimmung angesagt, aber auch Security gefragt Wie ein solches organisiertes System des Steuer- und Sozialversicherungsbetruges funktioniert, zeigte sich in den zurückliegenden Jahren. Eine Routinekontrolle, die bereits während der Fußball-WM 2010 durchgeführt wurde, brachte erste Verdachtsmomente an den Tag. Beamte der Kontrolleinheit Prävention des Hauptzollamtes (HZA) Münster  waren in Public-Viewing-Bereichen und in der Gastronomie auf „Ungereimtheiten“ gestoßen. Als sie neben Servicekräften im so genannten Kuhviertel von Münster auch Securities überprüften, wurden erste Hinweise auf Schwarzarbeit gewonnen. Zu den Alarmsignalen der Fahnder gehört es beispielsweise, wenn jemand als Security tätig ist, obwohl er staatliche Transferleistungen bezieht, oder aber berufstätig ist, aber keine zweite Lohnsteuerkarte besitzt.  

Die Verdachtsmomente des Jahres 2010 waren jedoch lediglich Indizien, also nicht konkret genug, um unmittelbar einzuschreiten. „Nach ersten Erkenntnissen waren weitere Ermittlungen der FKD (Finanzkontrolle Schwarzarbeit- d. Red.)  notwendig, die gemeinsam mit der Steuerfahndung und der Staatsanwaltschaft Münster durchgeführt wurden“, teilt dazu Astrid Bulla vom Hauptzollamt Münster mit.

Securitys unterstützen in Münster die Kontrollen des Ordnungsamtes. Unser Foto zeigt einen städtischen Mitarbeiter im KuhviertelIns Zentrum der Folgeermittlungen rückte zunehmend ein Sicherheitsdienstleister, der sich in der Gastronomieszene von Münster und auch beim örtlichen Ordnungsamt einen guten Ruf erworben hatte. Der Zwei-Meter-Mann ist eine Art Lokalgröße, der auch schon bei den münsterschen Fernseh-„Tatorten“ und Georg-Wilsberg-Folgen für Sicherheit sorgte. Discobetreiber schwärmen von ihm. Wo er und seine Männer in der schwarzen Kluft und den Lederhandschuhen Einlasskontrollen durchführten, blieb draußen, was nach draußen gehörte. Und das alles in einer freundlichen, unaufgeregten,  aber bestimmten Art. Eine münstersche Wochenzeitschrift jubiliert: „Er sorgt als Türsteher dafür, dass Du, Du, Du und ich in Münster ohne Sorgen feiern können“. Schwarze Sheriffs mit positiven Schlagzeilen in der lokalen Presse.

Das änderte sich schlagartig in der zweiten Juni-Hälfte  2011. Als sich Beamte des Ordnungsamtes wundern, weshalb ihre Kollegen vom zivilen Sicherheitsdienst nicht erscheinen, um gemeinsam auf Streife zu gehen, werden die örtlichen  Printmedien aufmerksam. „Das ist ein laufendes Verfahren. Dazu sagen wir nichts“, bekommen die Lokaljournalisten aus dem Rathaus zu hören. Der Zoll bestätigt immerhin, dass es eine „gemeinsame Aktion von Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung und FKS“ gegen die auch physisch große Lokalgröße gegeben habe. „Sicherheitsdienst hat Ärger. Der Chef sitzt in U-Haft“, titelt wenig später eine münstersche Gazette.

Doch der Zwei-Meter-Mann sollte nicht lange hinter Gittern bleiben. Bereits am 4. Juli 2011 wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt- gegen Auflagen. Die als Haftgrund angegebene Fluchtgefahr hatte sich anscheinend über Nacht in Luft aufgelöst. Er kehrte gewissermaßen als Held in das bürgerliche Leben zurück. Während einige andere Kunden konsterniert absprangen, sahen das Ordnungsamt und die örtliche Gastronomie keinen Anlass, von dem wieder Freigelassenen abzurücken. „Seine Arbeit hat nichts mit den Anschuldigungen zu tun. Die Zusammenarbeit hat immer hervorragend funktioniert“, lässt die „MünsterlandZeitung“ Renate Dölling-Lepper, die Geschäftsführerin des örtlichen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) zu Wort kommen. Auch das Ordnungsamt wird mit der Aussage zitiert, man blicke auf eine durchweg positive Zusammenarbeit zurück. Die würde nicht direkt gekündigt werden, nur weil „ein Gerücht auftaucht“.

 

Unicorn

 

In der örtlichen Presse wird der Security-Chef mit einem hohen Lob für die treuen Kunden zitiert. „Dafür kann man sich nur mehr als bedanken“, erklärt er gegenüber der „Münsterschen Zeitung“. Wohl gemerkt: Generell ist es nicht zu beanstanden, dass jemand nicht vorverurteilt wird, bevor er gerichtlich rechtskräftig zur Verantwortung gezogen ist.

In der „Münsterschen Zeitung“ gesteht der Security-Chef  freimütig ein, Fehler gemacht zu haben. Er habe Mitarbeiter an ein Dortmunder Sicherheitsunternehmen verliehen, das diese nicht korrekt angemeldet habe. Die ihm vorgelegten Anmeldebescheinigungen machten einen „einwandfreien Eindruck“, so der stämmige baumlange  Mann. „Ich habe mich darauf verlassen, dass alles korrekt ist“. Jetzt müsse er die Konsequenzen dafür tragen, dass ihn sein Partner von einst übers Ohr gehauen hat.  Die „Münstersche Zeitung“ fragt auch bei der Staatsanwaltschaft nach, die indessen eher ausweichend antwortet. Als „bloßes Opfer“ ist der Security-Unternehmer bei den Strafverfolgern offenbar nicht gelistet.

Faktum ist:  Rund 130.000 Euro hat nach Feststellungen des Hauptzollamtes Münster der Chef des laut Lokalpresse „größten Sicherheitsdienstes von Münster“ eingespart. Bewerkstelligt wurde dies mit so genannten Abdeckrechnungen.  Das sind Scheinrechnungen über nicht erbrachte Leistungen, die dazu dienen, Schwarzarbeit zu verdecken. Das Hauptmotiv für diese sehr spezielle Art der Rechnungslegung ist fiskalischer Natur. Unternehmen, die Schwarzarbeiter beschäftigen, sparen zwar an Steuern und Sozialgaben, müssen aber den Riesennachteil in Kauf nehmen, dass sie das unter der Hand gezahlte Entgelt nicht als Betriebsausgaben gegenüber dem Finanzamt geltend machen können.  Abdeckrechnungen lösen dieses Problem. Zumindest über einen gewissen Zeitraum, denn früher oder später muss dieses kriminelle System der Steuerhinterziehung und des Sozialversicherungsbetrugs angesichts des engmaschigen fiskalischen Kontrollnetzes auffliegen. Quod erat demonstrandum
Hier wurden sechs Täter aus dem Securitybereich zu insgesamt mehr als zwölf Jahren verurteilt: das Landgericht von MünsterIm Fall von Münster lief das Scheinrechnungswesen nach folgendem Muster ab: Der Inhaber einer noch angemeldeten, aber offenbar operativ nicht mehr aktiven Firma in Bedburg (Rhein-Erft-Kreis) stellte für angebliche Leistungen fingierte Rechnungen aus. Nach Begleichung der Rechnungssumme traf sich der Münsteraner Sicherheitsdienstleister beziehungsweise einer seiner (gleichfalls angeklagten) Mitarbeiter  mit dem „Kaufmann“ aus dem Regierungsbezirk Köln. Rund 80 bis 85 Prozent flossen in bar in die Kassen des Sicherheitsunternehmens zurück. Den Rest behielt der Bedburger- als kleine „Provision“.

Als der Münsteraner mit diesen massiven Tatvorwürfen konfrontiert wurde, tat er das sicherlich einzig Richtige. Der Mann, der gerne erzählt, dass er einmal zusammen mit dem BKA für den Personenschutz des damaligen Bundespräsidenten Rau sorgte und Joschka Fischer beim Joggen in Münster bewachte, kooperierte auch in diesem Fall mit den Behörden. Nach Angaben des Hauptzollamtes Münster legte er ein umfassendes Geständnis ab. Und das führte auf eine zweite Spur, die den bisherigen Täterkreis (den Münsteraner Sicherheitsdienstleister und einen seinen Mitarbeiter) glatt verdreifachte.
In einer Pressemitteilung des Hauptzollamtes Münster liest sich so:  „Dadurch konnte ein zweites Ermittlungsverfahren durchgeführt werden, das zu einem weiteren Sicherheitsunternehmen in Gelsenkirchen führte. Auch hier gelangten Scheinrechnungen zum Einsatz, um Schwarzlohn-zahlungen an Arbeitnehmer zu kaschieren.

Zugriffe der schnellen, zupackenden Art: die Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll (ZUH) im ÜbungseinsatzDie  kooperative Haltung des Münsteraners wussten die Ermittlungsbehörden zu honorieren. Der Münsteraner Security- Chef  wurde auf freien Fuß gesetzt und ging schon bald wieder seiner gewohnten Tätigkeit nach. Den von ihm geouteten zweiten  Sicherheitsdienstleister traf dagegen traf die volle Wucht der Exekutive. Beamte des SEK und der Spezialeinheit „Zentrale Unterstützungs-gruppe Zoll“  (ZUZ) stürmten sein Privathaus an der Ludwig-Steil-Straße in Bochum-Wattenscheid und nahmen ihn fest. Zeitgleich wurden weitere Objekte in Bochum, Dorsten, Dormagen, Münster und natürlich in Bedburg, dem Wohnort des besagten „Kaufmanns“, durchsucht.  Dabei kam es zu zwei weiteren Festnahmen. Insgesamt waren 160 Einsatzkräfte an der Großrazzia beteiligt. „Was der Zoll macht, macht er richtig“, so der Kommentar eines der eingesetzten Beamten.

Schnell zeigte sich, dass der Münsteraner gegenüber dem Mann aus Bochum der weitaus kleinere Fisch war. Der Security-Unternehmer, der mit dem Slogan „Ihre Sicherheit und somit Ihr Wohlbefinden liegen uns am Herzen“ warb, hat nach amtlichen Feststellungen zusammen mit weiteren Mittätern „rund  650.000 Euro“ an Steuern  und Sozialabgaben  hinterzogen. Ihm und weiteren Mittätern wurde außerdem vorgeworfen, Mitarbeitergehälter in unzulässiger Weise einbehalten oder aber veruntreut zu haben. Dabei war der bullige Mann mit dem überaus internationalen Flair eigentlich angetreten, genau das zu verhindern. Auf seiner Homepage bot er sinnigerweise „Ermittlungen bei Schwarzarbeit“ und „Mitarbeiterkontrollen“ an. An exklusiven Insiderkenntnissen dürfte es ihm jedenfalls  dabei nicht gefehlt haben.

Die GSG 9 lässt grüßen: Neben Glock-Pistolen und dem G36 (Bild) gehört die MP5 zu den Standardwaffen der ZUHAm Ende mussten sich im zweiten Halbjahr 2012 sechs  Beschuldigte vor dem  Landgericht Münster verantworten. Insgesamt wurden Freiheitsstrafen von zwölf Jahren und sechs Monaten verhängt.  Fünf der Männer wurden vorgeworfen, als Haupt- oder Beihilfetäter mit Hilfe fingierter Rechnungen Steuern hinterzogen und Sozialabgaben „eingespart“ zu haben. Der sechste im Bunde war der „Produzent“ der Abdeckrechnungen.  Auch wegen weiterer Vergehen kassierte er die mit Abstand höchste Freiheitsstrafe (drei Jahre und zehn Monate). Der Mann aus Bedburg ist der Einzige, der seine Haftstrafe tatsächlich antreten muss. Die fünf weiteren Tatbeteiligten wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Der Münsteraner Security-Chef war mit zwei Jahren dabei. Ein umfassendes Geständnis bringt nahezu immer einen „Rabatt“ bei der Strafzumessung1 ein.

Weitaus empfindlicher waren die Maßnahmen der Vermögensabschöpfung. Bei einem der Täter, es soll sich angeblich um den Sicherheitsdienstleister mit dem Wohnsitz in Bochum-Wattenscheid handeln, wurde die FKS in reichlichem Maße fündig. „Bargeld, Kontoguthaben und ein hochwertiges Kfz im Gesamtwert von über 200.000 Euro“ wurden sichergestellt und „zur teilweisen Wiedergutmachung des Schadens eingesetzt“, wie HZA-Pressesprecherin  Bulla mitteilt.  

Auch gegen den Sicherheitsdienstleister  aus Münster wurden finanzielle Forderungen  fällig. Wirtschaftlich breche ihm das Verfahren das Genick, erklärte der Mann bereits vor dem Strafprozess gegenüber der „Münsterschen Zeitung“.  Er hat im Übrigen inzwischen eine neue Firma gegründet beziehungsweise gründen lassen  und ist - wie man hört - nach wie vor gut im Geschäft.
Das Wach- und Sicherheitsgewerbe ist schon seit geraumer Zeit im „Visier des Zolls“, wie es in einer Pressemitteilung auf der Internetseite des  Bundesministeriums der Finanzen vom 22. November 2011 heißt: „Verdachtsunabhängige Schwerpunktprüfungen  (…)  sind Präventiv-maßnahmen, die innerhalb eines begrenzten Zeitraums einen erhöhten Prüfdruck auf die jeweiligen Branchen erzeugen und damit eine erheblich abschreckende Wirkung erzielen“. Im Fokus stehen Leistungsbetrug, Scheinselbständigkeit, Arbeiten ohne Arbeitsgenehmigung sowie Verstöße gegen den Mindestlohn und die Sofortmeldepflicht.

Der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) begrüßt deshalb ausdrücklich die Kontrollen des Zolls. Die Prüfmaßnahmen  seien ein wesentliches Instrument, um gegen  schwarze Schafe der Branche vorzugehen und qualitativ hochwertige Sicherheitsdienstleistungen durchsetzen zu können. Auf diesem Wege wird ein Beitrag zum Schutz der Arbeitsplätze legal arbeitender Unternehmen geleistet. Nicht überall sei in diesem Kontext bekannt, dass ein Auftraggeber in die Haftung genommen werden kann, wenn ein Auftragnehmer oder Subunternehmer Leistungsbetrug begeht.

„Men in black - aber bitte nicht schwarz“, ist die Devise der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), für die rund 20 Prozent aller deutschen Zollbediensteten tätig sind. Der ganz überwiegende Teil dieser Beamten arbeitet hochprofessionell. Aber es gibt einige wenige Ausnahmen. So wollten Zöllner im süddeutschen Raum ein Geldtransportfahrzeug kontrollieren. Sie forderten die Geldfahrer auf, auszusteigen und ihre Papiere vorzuzeigen, was diese selbstverständlich gemäß eindeutiger Bestimmungen nicht taten. Bekanntlich gab es bereits Überfälle auf Geldtransporte, bei denen die Täter sich als Polizei- oder auch Zollbeamte ausgaben.
Die besagten Zöllner konnten das vollkommen korrekte Verhalten der Geldfahrer überhaupt nicht verstehen und machten eine „Riesennummer“ daraus. Als sie sich später über die wahren Zusammenhänge belehren lassen mussten, war es ihnen mehr als peinlich. Richtig wäre es gewesen, das Personal aufzufordern, bis zur nächsten Polizeidienststelle mitzufahren und erst dort im Beisein von Polizeibeamten auszusteigen. Aber wie gesagt, das war eine Ausnahme.

[1] "Der ermittelte Steuer- und Sozialversicherungsschaden belief sich auf insgesamt rund 650.000 Euro“, teilt Astrid Bulla vom Hauptzollamt Münster in einer Pressemitteilung mit.

 

 

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