Polizeipistolen

Von Dr. Reinhard Scholzen

Polizei ist zwar Ländersache, dennoch vollzog sich die Bewaffnung der Polizisten nahezu im Gleichschritt: In den 1970er Jahren erfolgte der Umstieg vom Kaliber 7,65 mm zum 9 mm x 19. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ersetzten Deformationsgeschosse die vorher verwendeten Vollmantelgeschosse. Kurze Zeit später begannen einige Bundesländer, Pistolen mit einer deutlich größeren Magazinkapazität zu beschaffen. Andere Bundesländer stellen zurzeit ihre Polizeien auf die modernen Waffen um.
Patrone des Kalibers 7,65 × 21 mm Luger
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Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Möglichkeiten der westdeutschen Polizisten streng reglementiert. Eine Direktive der Alliierten Kontrollkommission vom 6. November 1945 schrieb ihnen vor: „Um die Überwachung von Feuerwaffen und Munition in deutschem Besitze zu erleichtern und jede Rechtfertigung für die weitere Herstellung von Feuerwaffen und Munition in Deutschland auszuschalten, wird die Wiederbewaffnung der deutschen Polizei durch die Zuteilung von außerhalb Deutschlands hergestellten Feuerwaffen erfolgen.“1 Je nach Besatzungszone kamen Pistolen und Revolver aus Frankreich, Großbritannien oder den USA in die Polizei–Holster. Da damit der Mindestbedarf nicht gedeckt werden konnte, erhielten die Ordnungshüter darüber hinaus auch belgische, spanische, italienische und schweizerische Waffen.

Daran änderte sich auch nach der Aufhebung dieses Verbots in einigen Bundesländern nichts. Rheinland–Pfalz beschaffte noch im Jahr 1962 französische Pistolen für ihre uniformierte Polizei.2 Im Saarland verwendeten die motorisierten Verkehrsüberwachsungskräfte sogar bis zum Jahr 1978 Pistolen der Manufacture d´Armes de Bayonne (MAB) aus Frankreich.3

Auch der im Jahr 1951 gegründete Bundesgrenzschutz musste seine Waffen zunächst aus dem Ausland importieren. Die Grenzschützer erhielten ihre ersten Pistolen des Kalibers 9 mm x 19 (9 mm Parabellum) aus der Schweiz (Modell SIG 210) und Spanien (Modell Astra 600/43).4

 Walther P38 9×19mm Parabellum WWII German Wehrmacht pistol
© Von Bruce C. Cooper (digital image) - Uploader's collection, CC BY-SA 4.0, www.dpolg-sh.de

In den 1950er Jahren rüsteten manche Länder insbesondere ihre Bereitschaftspolizei mit der Walther P 38 aus, die wenig später in P 1 umbenannt wurde. Mitunter wurde beklagt, die Waffe sei schwer und unhandlich und die daraus verschossene Munition sei „polizeiuntypisch“. Für ihre Streifen- und Kriminalpolizisten führten zahlreiche Länder seit Beginn der 1960er Jahre Walther Pistolen im Kaliber 7,65 Browning ein: Die Modelle „PP“ (Polizei–Pistole) sowie „PPK“ (Polizei–Pistole Kriminal).5

Die Technik der in den späten 1920er Jahren entwickelten Waffen war immer noch modern. Sie verfügten über einen Spannabzug und boten die damals größtmögliche Sicherheit, einfache Bedienung sowie schnelle Feuerbereitschaft. Aber die „Waltherchen“ verschossen Patronen des relativ schwächlichen Kalibers 7,65 Browning. Die Projektile brachten es bei einem Gewicht von 4,7 Gramm auf eine Anfangsgeschwindigkeit von rund 305 Metern pro Sekunde und damit auf eine Auftreffenergie von nur 219 Joule.

Pistolen im Kaliber 9 mm x 19

Zu Beginn der 1970er Jahre begann in den Entscheidungsebenen der deutschen Sicherheitsorgane ein Umdenken. Die steigende Gewaltkriminalität, insbesondere in den deutschen Großstädten und die Bedrohung der Gesellschaftsordnung durch die Morde, Entführungen und Banküberfälle der Baader–Meinhof–Bande und ihrer Nachfolgeorganisation – der Roten Armee Fraktion (RAF) –, beschleunigten die Diskussion um die Einführung neuer Dienstpistolen.

Der Arbeitskreis II (AK II) der Innenministerkonferenz legte 1975 in seinem Pflichtenheft für die bei der Polizei verwendeten Faustfeuerwaffen einheitliche Leistungsanforderungen fest. Mit Blick auf die Kriminalitätslage einigten sich die Kommissionsmitglieder auf deutlich leistungsfähigere Waffen im Kaliber 9 mm Parabellum, die Projektile mit einer Mündungsenergie von 500 Joule verschossen.

Die Länder wählten nach langen Testreihen leistungsstarke Modelle aus: Das Saarland ging einen Sonderweg und kaufte für seine Polizisten die P 9 von Heckler & Koch. Die anderen Länder entschieden sich für die in Ulm gefertigte Walther P 5, Heckler & Kochs P 7 aus Oberndorf am Neckar oder die von SIG–Sauer in Eckernförde hergestellte P 6. Auch der Bundesgrenzschutz schaffte die letztgenannte Pistole an, die damit Walthers P 1 ablöste.

Keine Veränderung gab es bei der Munition. Nach wie vor verschossen die Polizeibeamten Vollmantelgeschosse im Kaliber 9 mm x 19. Dieses war für die Verwendung beim Militär entwickelt worden. Die Bezeichnung Parabellum leitet sich aus dem Satz ab: si vis pacem parate bellum, was übersetzt bedeutet: Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor. Für den polizeilichen Einsatz war diese Munition nur bedingt tauglich. Wegen ihrer hohen Durchschlagkraft gefährdet sie Unbeteiligte, da das Projektil häufig nur rund 30 bis 40 Prozent seiner Energie an den getroffenen Körper abgibt. Die verbleibende Restenergie genügt, um Geiseln oder sogar weit entfernt stehende Unbeteiligte zu verletzen. Normale Wohnungstüren stellen für ein Vollmantelgeschoss ebenso wie Autoblech kein Hindernis dar. Sogar Zimmerwände bieten keinen Schutz gegen die Projektile. Genauso problematisch wirkt sich im Polizeieinsatz deren starke Querschlägerneigung aus.

Spezielle Polizeimunition6

In Deutschland entwickelten zwei große Hersteller Munition für den polizeilichen Einsatz. MEN (Metallwerk Elisenhütte GmbH, Nassau an der Lahn) fertigte seit 1975 die Patrone Quick Defense (QD), die 5,8 Gramm (QD 1, Geschossmaterial: Tombak) bzw. 6,3 Gramm (QD 2, Geschoßmaterial: Messing) schwere Geschosse verschießt. Die Nassauer setzten in die Spitze ihrer Geschosse Kunststoffkugeln aus einem schlagzähen, splitterfreien Material ein, was eine einwandfreie Zuführung der Munition aus dem Magazin in das Patronenlager gewährleistet. Ebenfalls für den polizeilichen Einsatz entwickelte MEN die Patrone 9 mm x 19 Frangible, deren Projektil aus einem Kupfer–Kunststoff–Gemisch besteht, das sich beim Aufprall auf Betonböden und Betonwände, Asphalt und Ziegel, aber auch beim Auftreffen auf Stahlklappscheiben in feinste Partikel zerlegt. Speziell für die Einsatzszenarien der Streifenbeamten wurde die „P.E.P.“ (Polizei Einsatz Patrone) geschaffen.

Von Dynamit Nobel aus Troisdorf kommen für den Polizeieinsatz die „Action“–Geschosse, die in unterschiedlichen Konfigurationen erhältlich sind. Die „Action 4“. bewarb die Firma mit dem Slogan „Das Action–Geschoss der neuen Generation für den universellen Polizeieinsatz.“

Umdenken nach einem Polizeieinsatz in München

Nachdem im Jahr 1998 eine Polizeibeamtin bei einem Einsatz in München in Notwehr auf einen Angreifer geschossen hatte, begann ein Umdenken. Die Polizistin hatte Robert T. zwar in die Brust getroffen, aber der Mann setzte seine Attacke unbeeindruckt fort. Erst mit einem zweiten Schuss, der den 48-Jährigen im Gesicht traf, konnte die Beamtin ihn stoppen. Das gleiche Vollmantel-Projektil verletzte aber auch seinen dahinter stehenden Bruder Leon tödlich. In Bayern und einigen anderen Bundesländern Abbildung eines aufgepilzten Geschosses
© Von Rickochet in der Wikipedia auf Englisch - Übertragen aus en.wikipedia nach Commons. Edited from here., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3496250
richtete man danach Arbeitsgruppen ein, um eine neue, für die Anforderungen des Polizeidienstes bessere geeignete Munition zu finden.7

An die Spitze der Vollmantel–Gegner stellte sich der rheinland–pfälzische Innenminister Walter Zuber, nachdem auch in seinem Bundesland ein polizeilicher Schusswaffeneinsatz tödlich endete. Er war sicher: „Wer gründlich das Für und Wider der Einführung der neuen Munition abwägt, wird zum Ergebnis kommen, daß Deformationsgeschosse eine sinnvolle Alternative zu den derzeit verwendeten Vollmantelgeschossen sind.“ In einer Pressemitteilung wurde die Wirkungsweise der neuen Projektile beschrieben: „Ein Deformationsgeschoss verbleibt mit seiner gesamten Energie im getroffenen Objekt, wo es zwar seine Form verändert, sich aber nicht zerlegt. Damit wird eine stärkere Mannstoppwirkung erzielt.“

 

Bereits im Herbst 1999 erhielten die rheinland-pfälzischen Beamten Deformationsgeschosse.
Die Argumente aus Rheinland–Pfalz zeigten zwar auch in den anderen 15 Bundesländern Wirkung, aber zu einer sofortigen Änderung des Magazininhalts der Ordnungshüter konnten sich Zubers Amtskollegen zunächst nicht durchringen. So blieb es zunächst bei Ankündigungen. Am 11. Juni 1999 beschloss die „Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder“ (IMK) in Dresden, eine Munition zu entwickeln und zu erproben, „die folgende Voraussetzungen erfüllen soll:

  • geringe Gefährdung Unbeteiligter,
  • geringe Abprall– und Querschlägergefahr,
  • große Energieabgabe auf Weichziele zur Erzeugung der Angriffs– und Fluchtunfähigkeit,
  • keine Splitterbildung sowie
  • ausreichende Wirkung beim Beschuß von Hartzielen und Fahrzeugreifen.

Für den Fall, daß die Erprobung erfolgreich verläuft, beabsichtigt die Innenministerkonferenz die Einführung dieser Munition bei der Polizei“. Offensichtlich verliefen die Erprobungen erfolgreich, so dass kurze Zeit später Schritt für Schritt alle Polizisten mit den neuen Patronen ausgerüstet wurden. Für die Polizisten in Bayern, Baden–Württemberg, Rheinland–Pfalz, Bremen, Mecklenburg–Vorpommern und Niedersachsen wurde die oben bereits erwähnte P.E.P. von MEN beschafft.

Richtlinien für Polizeipistolen

Was eine Polizeipistole leisten muss, ist in Deutschland umfangreich in der bereits erwähnten Technischen Richtlinie (TR) geregelt, die erstmals in den 1970er Jahren verfasst und seither mehrfach aktualisiert wurde, zuletzt im Jahr 2008.8 Jede dieser Waffen durchläuft demnach vor ihrer Einführung eine Reihe von sehr aufwendigen Tests, die bei den Beschussämtern in Suhl oder in Ulm durchgeführt werden. Dazu muss der Hersteller jeweils fünf Pistolen mit 50 Magazinen und insgesamt 35.000 Schuss Munition mit Polizeigeschossen zur Verfügung stellen. Darüber hinaus werden aus den Prüfwaffen auch 500 Patronen mit einem Vollmantelgeschoss verschossen. Neben vielem anderen entscheidet die Haltbarkeit der Waffe darüber, ob sie in den Staatsdienst eintreten darf. Nach 10.000 Patronen dürfen an der Pistole keine Materialermüdungen auftreten. Allein mit dieser Forderung ist die Messlatte sehr hoch gelegt; denn bei einer durchschnittlichen Schussleistung von 125 bis 150 Patronen im Jahr würde sich somit eine Lebensdauer der Waffe von fast 80 Jahren errechnen. Besonderes Augenmerk legen die Prüfer auf die Funktionssicherheit, die Handhabung, die Bedienung und die Schützensicherheit. Die TR schreibt ebenfalls eine hinreichend hohe Präzision der Pistolen vor. Dazu werden aus einer Anschussmaschine zehn Projektile abgefeuert, die auf der im Abstand von 25 Metern stehenden Zielscheibe alle in einem Kreis von 16 Zentimetern Durchmesser einschlagen müssen. Darüber hinaus sind die Abmessungen der Waffe festgelegt: Gesamtlänge 180 mm, Höhe 130 mm und Breite 34 mm. Ebenso das Gewicht, das mit leerem Magazin nicht über 900 Gramm liegen soll. Schließlich ist auch der Abzugswiderstand von mindestens 30 Newton vorgeschrieben und der Abzugsweg, der zwischen 10 und 15 Millimeter liegen muss. Des Weiteren legt die TR fest, dass die Magazine der neuen Polizeipistolen mindestens zwölf Patronen fassen müssen.

Die in den späten 1970er Jahren beschafften Pistolen wurden in einigen Bundesländern bereits 20 Jahre später durch neue Waffen ersetzt. Für das Modell P 2000 V2 entschied sich im Jahr 2001 das niedersächsische Innenministerium. Zwei Jahre später kaufte auch Baden-Württemberg diese Waffe des Herstellers Heckler & Koch, jedoch in der Variante V 5. In Nordrhein-Westfalen kam seit 2006 die Walther P99 DAO (Double Action Only, mit einem permanent entspannten Schlagbolzenschloss und einem vergleichsweise langen Abzugsweg, der aber bei jedem Schuss gleich lang ist) in die Holster der Polizisten. Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Bayern erwarben ebenfalls die Walther, jedoch wählten sie die Modellvariante mit einem teilgespannten Schlagbolzenschloss, die P 99 Q. Der Zoll (im Jahr 2007) und zwei Jahre später die Bundespolizei bekamen die Heckler & Koch P 30, wobei ersterer die Variante V 6 und letztere die V 2 wählten. Dieses Modell wurde ab 2010 auch in Hessen eingeführt. Viele der neuen Bundesländer behielten ihre Waffen, wie zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern ihre SIG Sauer P 225, aber auch Bayern hielt an der P 7 von Heckler & Koch fest.

Walther P99 Q
© Von http://www.rijksoverheid.nl - http://www.rijksoverheid.nl/nieuws/2012/10/25/nieuw-pistool-voor-nederlandse-politie.html, CC0, www.dpolg-sh.de
 

Die P 99 Q im Detail9

Neben unterschiedlich benannten Abzugsvariationen (z. B. Double Action Only, Safe Action, Anti-Stress, Combat Defense Action) schufen einige Hersteller weitere, spezielle Ausstattungsmerkmale für potentielle Polizeipistolen. Dies zeigt sich deutlich an der Walther P 99 Q, die im frühen 21. Jahrhundert zu den modernsten Pistolen zählte. Die P 99 Q ist eine Weiterentwicklung der Walther P 99. Um die Griffigkeit der Pistole zu verbessern, wurde das Griffstück neu gefertigt und dabei aufgeraut. Der Waffe liegen drei unterschiedlich große Griffrücken bei, so dass diese der jeweiligen Handgröße ihres Besitzers angepasst werden kann. Die P99 Q verfügt über eine Montageschiene, an der Lampen und Laser angebaut werden können. Um das Durchladen zu vereinfachen, vergrößerten und verbreiterten die Konstrukteure die Spannrillen am Schlitten. Das teilgespannte Schlagbolzenschloss der P99 Q wurde so gestaltet, dass sich der Schuss nach einem zwölf Millimeter langen Abzugsweg bei einem Kraftaufwand von rund 3200 Gramm löst. Sollte ein Zündversager auftreten, kann der Abzug im Double Action Modus als „Resetabzug“ erneut betätigt werden. Dabei ist dann aber der Weg drei Millimeter länger und das Gewicht erhöht sich auf 4600 Gramm. Nochmals überarbeitet wurden an der P 99 Q die drei automatisierten Sicherungen. Zum einen wirkt eine Schlagbolzensicherung, die erst bei durchgezogenem Abzug freigegeben wird. Zum anderen verfügt die P 99 Q über eine Fallsicherung, die eine ungewollte Zündung der Patrone verhindert. Schließlich ist die Pistole durch einen Unterbrecher davor geschützt, dass sich bei einer unvollständigen Verriegelung der Waffe ein Schuss löst.

Das Magazin fasst 15 Patronen, eine weniger als die vorangegangene Variante der P99. Das Laden des Magazins erfordert nur einen geringen Kraftaufwand. Ebenso unproblematisch ist die Zerlegung der Waffe, um diese zu reinigen.

Betrachtet man den Griffrücken der P99 Q so sticht ins Auge, dass in die Waffe ein elektronisches Bauteil verbaut ist, das so ähnlich funktioniert wie eine Warensicherung an einem Kaufhausartikel. In diesem Transponder können unterschiedliche Informationen abgespeichert werden wie die Seriennummer der Waffe, deren Hersteller und das Datum der Fertigung. Es könnte – wenn gewollt – noch mehr auf diesen Chip gepackt werden, zum Beispiel der Name des Besitzers.

Im August 2011 griff die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Funktionsstörungen an der P 99 Q auf und informierte im Internet: „Im Laufe der letzten Woche wurde bekannt, dass es beim Einsatztraining mit der neuen Dienstwaffe P99 Q zu einer erhöhten Hemmungsquote kommen soll ... Erste Untersuchungen ergaben, dass keine technischen Mängel ursächlich für die Hemmungen sind. Vielmehr scheint die Lösung des Problems im Training mit der neuen Dienstwaffe zu liegen. Aus physikalischen Gründen ist für die Nachladefunktion der Waffe ein entsprechendes Gegenlager erforderlich ... Bei der Eingewöhnung darf es keine haushalterischen Begrenzungen der Schusszahlen geben. Jeder Mitarbeiter muss so lange mit der neuen Dienstwaffe schießen können bis er sie sicher handhaben kann.“10 Damit sprach die Gewerkschaft ein Kernproblem an, das die Polizeien seit Jahrzehnten begleitet: Die Schießausbildung der Schutz- und Kriminalpolizei ist nicht immer gut. Häufig wird den Beamten nicht die erforderliche Zeit gegeben, um mit ihrer Dienstwaffe zu üben. Es fällt jedoch auf, dass es in Rheinland-Pfalz, wo die P 99 Q die Walther P 5 ersetzte, zu keinem einzigen Fall einer Funktionsstörung kam. Als Grund dafür nennen Fachleute, dass die Schießausbilder dort besonders darauf achten, dass die Beamten die Waffe nicht zu weit unten am Griffstück fassen. Auf diesen Zusammenhang wies die Firma Walther kurze Zeit später alle zuständigen Stellen hin.

Die aktuellen Polizeipistolen

Zurzeit werden wieder in einigen Bundesländern neue Pistolen beschafft, wobei dies in der Regel eine längere Zeit dauert, wodurch sich zum Teil Überschneidungszeiten ergeben, in denen noch mehrere Pistolen im Polizeidienst verwendet werden:

Die Beamten des Bundeskriminalamtes führen die SIG Sauer, Modell P 229. Bei der Bundeszollverwaltung wird mit der Heckler & Koch P 30 V6 geschossen, bei der Bundespolizei kommt ebenfalls die P 30 zum Einsatz, jedoch in der Variante V 2. Für diese letztgenannte Waffe entschieden sich auch die Innenministerien in Baden-Württemberg und Hessen. Ebenfalls für eine Pistole von Heckler & Koch, das Modell SFP9, erteilten Bayern, Berlin und Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und der Freistaat Sachsen den Zuschlag. Das Heckler & Koch Modell P 10 kauften das Saarland und Thüringen. Produkte der Firma Walther konnten sich in Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein (Modell P 99 Q) sowie in Nordrhein-Westfalen (P 99 DAO) durchsetzen. Sachsen-Anhalt liefert an seine Polizisten seit September 2019 Waffen des österreichischen Herstellers Glock, Modell 46 TR, aus. Bis zum Ende des Jahres 2020 sollen alle 6500 Polizisten die neue Pistole erhalten. Innenminister Holger Stahlknecht ist zuversichtlich: „Ich freue mich, dass wir die Ausrüstungsoffensive der Landespolizei fortsetzen. Mit der neuen Dienstpistole erhalten die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ein hochmodernes Instrument zur Abwehr von Gefahren, auf das sie sich im Ernstfall verlassen müssen und können. Nach den anstehenden Trainings- und Schulungsmaßnahmen vertraue ich auf einen professionellen Umgang mit der neuen Waffe.“11

Während früher ausgediente Polizeipistolen über die VEBEG verkauft wurden, werden sie seit rund 15 Jahren in der Regel verschrottet. Einen zum Teil anderen Weg geht die niedersächsische Polizei. Aus 1000 alten P 6 fertigte die Firma Waldmann Füllfederhalter. Damit soll, so Innenminister Boris Pistorius, „ein Zeichen für Frieden und Abrüstung“ gesetzt werden. Offensichtlich erfreuen sich die Pistolen-Füller, die mit reichlich Zubehör verkauft werden, großer Beliebtheit. Käufer kämen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Griechenland, Portugal und China. Aus dem Erlös stiftete der Waldmann-Chef 32.000 Euro an die Opferhilfe „Weißer Ring“.

 

Quellen:

1  Siehe dazu: Theo Löffler: Dienstwaffen der deutschen Polizei und Gendarmerie. Historie, Technik, Kennzeichnung. Bd. 6. 2.: Bayern. Singhofen 2011, S. 18.
2  Vgl.: Horst Friedrich: Dienstwaffen der deutschen Polizei und Gendarmerie Historie, Technik, Kennzeichnung. Rheinland-Pfalz und Saarland. Singhofen 2011, S. 57.
3  Im motorisierten Verkehrsdienst blieb das Modell MAB R im Saarland bis Ende der 1970er Jahre im Gebrauch. 1980 wurden fast alle Pistolen an einen privaten Waffenhändler verkauft. Peter Hübner: Dienstwaffen der deutschen Polizei und Gendarmerie Historie, Technik, Kennzeichnung. Rheinland-Pfalz und Saarland. Singhofen 2011, S. 251.
4  Reinhard Scholzen: Der BGS. Geschichte der Bundespolizei. Stuttgart 2006, S. 24-55.
5  Manfred Kersten u. a.: Walther. Eine deutsche Erfolgsgeschichte, Bd. 1, Ulm 2012, S. 136-151
6  Was eine Polizeimunition können muss, ist in der fortlaufend aktualisierten „Technischen Richtlinie (TR) Patrone 9 mm x 19 schadstoffreduziert“ festgelegt, die das Polizeitechnische Institut der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster herausgibt. Die aktuelle Fassung stammt aus dem Herbst 2009.
7  Reinhard Scholzen: Neue Munition für die deutsche Polizei. In: Kriminalistik 54. Jg. August 2000, S. 556–561.
8  Hierzu gab die Technische Hochschule der Polizei in Münster erstmals im Juni 1975 das „Pflichtenheft Faustfeuerwaffen“ heraus, dem seit Mai 1995 die Technische Richtlinie Pistolen folgte, die sodann 1997, 2003 und zuletzt im Januar 2008 überarbeitet wurde.
9  Vgl: Reinhard Scholzen: Sicher für die Polizei. Die Pistole P 99Q der Firma Walther. In: CD–Sicherheitsmanagement 34, 2010, Heft 5, S. 136–143.
10 Siehe unter www.dpolg-sh.de vom 10. 8. 2011: „Problemfall Walther P 99 Q?“.
11 Siehe unter: www.polzeipraxis.de Ausgaben 2019.

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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