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ESSA-Mitgliederversammlung geht Sicherheit von Wertbehältnissen auf den Grund

Ruft die European Security Systems Association (ESSA) e.V. zu ihrer jährlichen Mitgliederversammlung, dann ist den Mitgliedern kein Weg zu weit: Aus Neuseeland, China, Indien, Brasilien, den USA und vielen Ländern Europas reisten am 14./15. November 2019 knapp 140 Expertinnen und Experten aus diversen Bereichen der physischen Sicherheitsindustrie nach Frankfurt.
Knapp 140 Sicherheitsexpertinnen und -experten aus aller Welt reisten zur ESSA-Mitgliederversammlung an.
© ESSA
Darunter führende Hersteller und Anbieter von Safes und Lösungen für Wertschutzräume sowie Versicherungs- und Behördenvertreter.

Programmhighlights waren ein Vortrag zur Zukunft des Bargelds, ein Workshop zu der seit April 2019 geltenden europäischen Norm EN 1143-1:2019 für Wertschutzschränke, ATM-Safes, Wertschutzraumtüren und -wandungen und ein Vortrag zu möglichen Schadstoffen in Safes älterer Baujahre.

Bargeld bleibt ein wichtiges Zahlungsmittel

Als leitender Entwickler von KBA-NotaSys, einem führenden Hersteller von Druckmaschinen und Sicherheitslösungen für Banknoten und Wertpapiere, hat Johannes Schaede den Markt seit Jahrzehnten fest im Blick. Ein Ende des Banknotendrucks befürchtet der Experte trotz des Trends zum bargeldlosen, oft per Smartphone abgewickelten Zahlungsverkehr nicht. „In neun der zehn größten Märkte steigt die Produktion von Banknoten. Sie wird 2023 um fünf bis sieben Prozent höher sein, als zehn Jahre zuvor“, berichtete er.

Für die anwesenden Hersteller von Wertbehältnissen für Geldautomaten und von Safes für private und gewerbliche Anwender hatte der Experte weitere positive Botschaften. Der Trend zu Negativzinsen ziehe ebenso wie das steigende Bedürfnis nach Privatsphäre im digitalen Raum tendenziell mehr Bargeldnutzung nach sich; zumal jede Kartenzahlung Datenspuren hinterlässt. Zudem sei Cash für viele Millionen Menschen weltweit, die nicht über ein Konto verfügen, der zentrale Zugang zum Wirtschaftsleben.

Safes für die Weiterentwicklung von Einbruchwerkzeugen fit machen

Der Workshop zur EN 1143-1:2019 zeigte, dass sich die Branche seit deren Inkrafttreten im April 2019 nur vorsichtig an die Neuregelung herantastet. Das gilt insbesondere für den darin enthaltenen optionalen T2-Werkzeugsatz. Werkzeuge, mit denen Tresore sowie Türen und Wände von Wertschutzräumen im Rahmen zerstörender Prüfungen angegriffen werden, wurden für diese Liste an den aktuellen Stand der Technik angepasst.

Dirk Etheber, Zertifizierungsingenieur der European Certification Body GmbH, wagte erste Einschätzungen zum Einfluss dieser leistungsstärkeren Werkzeuge auf künftige Tests und deren Ergebnisse. Elektrische Schneidwerkzeuge, Bohrhämmer, Betonkettensägen und thermische Lanzen mit teils deutlich mehr Durchschlagskraft als im bisher verbindlichen T1-Werkzeugsatz werden Konstrukteure demnach vor Herausforderungen stellen. Doch weil die Verwendung des T2-Werkzeugsatzes auch von Seiten der Versicherer optional ist, zögern die Hersteller. „Es ist offen, wann erste Safes und Wertschutzraumlösungen auf den Markt kommen, bei deren Zertifizierung der T2-Werkzeugsatz zur Anwendung kommt“, erklärte er.

Kunden für den Nutzen einer strengeren Zertifizierung sensibilisieren

Auf dem Workshop ließen nur Vertreter von Prüflaboren durchblicken, dass sie sich vermehrt mit dem neuen Werkzeugsatz befassen. Hersteller hielten sich dagegen bedeckt. Sie stehen vor einem Dilemma: Solange Kunden nicht nach strengerer Zertifizierung verlangen – und oft nicht einmal von der Existenz des neuen Werkzeugsatzes wissen, und solange Versicherer nicht auf dessen Verwendung pochen, ist unklar, ob sich Investitionen in verstärkte oder neu konstruierte Safes und Tresorräume sowie in die aufwändigere Zertifizierung auszahlen.

 „Wir müssen Kunden dafür sensibilisieren, dass Einbrechern heute durchschlagskräftigere Werkzeuge zur Verfügung stehen – und daher auch die Prüfung und Zertifizierung von Safes und Wertschutzraumlösungen an den Stand der Technik anzupassen ist, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu erreichen“, erklärt ESSA-Geschäftsführer Dr. Markus Heering. Sonst werde der Markt den erhöhten Entwicklungs- und Fertigungsaufwand kaum honorieren.

Etheber verwies auf die teils beträchtlichen Leistungsunterschiede zwischen den bisherigen und den neuen Werkzeugen. Besonders die nun zugelassenen Betonkettensägen mit bis zu 11.000 Watt Leistung und Thermische Lanzen, die sich mit Sauerstoffflammen durch nahezu jedes Material brennen – und nun bei gleicher Länge (1200 mm) doppelt so dick sein dürfen wie bisher (13 mm statt 6,5 mm) – stellen Konstrukteure nach seiner Einschätzung vor große Herausforderungen. Einbrecher kommen damit auch bei Safes mit Wandstärken um 70 mm und Materialsandwichwänden viel schneller ans Ziel als bisher. „Um Wertschutzbehältnisse dagegen zu sichern, müssen sich die Hersteller einiges einfallen lassen“, mahnte er.

Eine Ehrung und Warnung vor Safes älterer Baujahre

Wolfgang Bruna wurde für sein über 20-jähriges Engagement für herstellerübergreifende Sicherheitsstandards geehrt.
© ESSA
Im Zuge der Mitgliederversammlung erhielt Wolfgang Bruna, Ingenieur bei Wertheim Safes, den ESSA International Leadership Awards 2019. Geehrt wurde er für sein über 20-jähriges Engagement für herstellerübergreifende Sicherheitsstandards auf europäischer Ebene. Laut Heering überzeugt dabei Brunas konstruktiver, auf fundierten technischen Argumentationen basierender und überparteilicher Leadership-Ansatz.

Abschließend nutzte der stellvertretende ESSA-Geschäftsführer Falko Adomat das Forum, um die Mitglieder aus aller Welt für potentielle Gesundheitsgefahren beim Umgang mit Safes älterer Baujahre zu sensibilisieren. Selbst bei zertifizierten Safes sei für Brandschutzzwecke teils bis zum Beginn der 1990er Jahre Asbest verbaut worden; meist in Türdichtungen und Wandungen. Wer solche Safes restauriere, modernisiere oder demontiere, müsse mit dieser Gefahr rechnen – und entsprechende Vorsorge treffen.

Dies gelte erst recht bei Produkten ohne Zertifizierung und bei historischen Safes, in deren Wänden manch damaliger Hersteller sogar giftige oder explosive Substanzen einsetzte. „Solche Gefahren sind nur in wenigen Ausnahmefällen zu erwarten; doch wer es mit sehr alten Tresoren zu tun bekommt, sollte sie in Erwägung ziehen“, mahnte Adomat. Dagegen gab er für moderne zertifizierte Safes und Wertschutzraumlösungen Entwarnung. „Von heutigen Produkten unserer Branche gehen solche Gesundheitsgefahren nicht mehr aus“, betonte er.

 -PM ESSA-