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Bodycams sind Ländersache

Von Dr. Reinhard Scholzen

An Bodycams scheiden sich die Geister. Die einen plädieren für die Minikameras, da sie die Gewalt gegen Polizeibeamte verringern. Für die anderen dürfen sie – wenn überhaupt – nur mit strengen Auflagen verwendet werden.

Eine Spirale der Gewalt

Als vor Jahren in Deutschland die Gewalt gegen Polizisten anstieg, war dies ein Grund, in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) Polizeibeamte nicht mehr nur als Opfer von Widerstandsdelikten, sondern umfassender als Opfer von Gewaltdelikten auszuweisen. 2014 stiegen bundesweit die Deliktszahlen gegenüber dem Vorjahr nochmals an. Neben 40.165 Fällen des Widerstands gegen Polizeivollzugsbeamte (2013: 38.527), wies die PKS 3.549 Fälle einer Bedrohung (2013: 3.065), 13.592 vorsätzliche einfache Körperverletzungen (2013: 12.632), 3.880 gefährliche und schwere Körperverletzungen (2013: 3.393), 125 Raube, 63 Totschlags- und 60 Mordversuche aus.

Betrachtet man die einzelnen Bundesländer, so zeigen sich deutliche Unterschiede. In Schleswig-Holstein, Hamburg und Bayern gab es zwischen 2005 und 2010 einen deutlichen Anstieg der Gewalt und danach eine Phase der Stagnation. In Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der Opfer seit 2010 deutlich an. Während allein von 2013 auf 2014 in NRW die Fallzahl um 11,5 Prozent auf 7.902 Fälle anwuchs, meldete Bremen einen leichten Rückgang. Im Saarland und in Mecklenburg-Vorpommern hingegen gingen die Fallzahlen im Jahr 2014 deutlich zurück. Gleichwohl begann in den Polizeien und Ministerien in dieser Zeit die Suche nach geeigneten Mitteln, um die Gewalt gegen die Ordnungshüter zu verringern.

Kleine Kameras sollen Probleme lösen

Zepcam, Polizei Rheinland-Pfalz
© Sanderflight - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=56688405
In Dänemark und den USA hatten die Polizisten bereits Jahre zuvor viele gute Erfahrungen mit Bodycams gesammelt. Das sind kleine, an der Uniform oder am Helm zu befestigenden Kameras, die bei Bedarf eingeschaltet werden können und sodann das Geschehen in Bild und Ton aufzeichnen. Detaillierte Auswertungen aus Großbritannien machten Mut; denn sie belegen, dass die Kameras auf viele Täter beruhigend wirken und die Zahl der Gewalttaten gegen Polizisten abnimmt.

In Deutschland erprobten seit 2013 zahlreiche Bundesländer solche Kameras. In Rheinland-Pfalz startete parallel zum Probelauf eine umfassende wissenschaftliche Begleitung durch den Trierer Rechtswissenschaftler Prof. Mark Zöller. In einem Gutachten für die Landesregierung stellte er die Frage in den Mittelpunkt, „welche rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen für die Nutzung solcher Körperkameras auf der Grundlage des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG RP) existieren, da auch hier ein klar erkennbarer, politischer Wille für eine dauerhafte Ausstattung der Polizei mit diesem Instrument besteht.“ Drei Themenbereiche betrachtete der Rechtswissenschaftler besonders intensiv:

  • Prerecording-Funktion. Dabei nimmt die Kamera nach einem Tastendruck das Geschehen auf, überschreibt die Informationen aber in einem einstellbaren Sekundenturnus. Ergibt sich eine Gefährdungssituation, kann der Polizist durch einen weiteren Tastendruck die Aufnahmespeicherung in Gang setzen. Dadurch werden auch die davor liegenden Sekunden abgespeichert.
  • Einsatz der Bodycams bei Versammlungen und die
  • Einsatzmöglichkeit der Minikameras in Wohnungen.

Tendenziell sprach sich Prof. Zöller für eine zurückhaltende Verwendung aus. Eher kritisch sah auch der Deutsche Anwaltverein die Einführung von Bodycams bei der deutschen Polizei. Völlig anders bewerteten viele Innenministerien die Körperkameras. Der bayerische Innenstaatssekretär Gerhard Eck kündigte daher Anfang 2018 eine Änderung des Polizeirechts an: „Der Bodycam-Einsatz muss immer dann möglich sein, wenn dies zum Schutz von potentiellen Opfern und Polizeibeamten erforderlich ist. Gerade Opfer von häuslicher Gewalt konnten aufgrund der bisherigen Rechtslage noch nicht vom Einsatz von Bodycams profitieren. Das wollen wir im Sinne eines effektiven Opferschutzes ändern.“

Unterschiede von Land zu Land

Im Mai 2019 stellte der Autor dem Bundesinnenminister und den Innenministern der Länder jeweils sieben Fragen zur Verwendung der Bodycams im Polizeidienst:

  1. Seit wann werden in Ihrem Zuständigkeitsbereich Bodycams erprobt?
  2. Wie viele Bodycams wurden bisher für Ihre Polizeibeamten beschafft?
  3. Bei welchen Tätigkeiten setzen Ihre Polizeibeamten Bodycams ein?
  4. In welchen Bereichen ist in Ihrem Land die Verwendung von Bodycams nicht erlaubt?
  5. Nutzen Ihre Polizisten die Prerecording Funktion der Bodycams?
  6. Planen Sie die Beschaffung weiterer Bodycams?
  7. Liegen Ihnen Erkenntnisse vor, dass durch den Einsatz von Bodycams die Gewalt gegen Polizeibeamte zurückgeht?

 Hauptsitz des Bundesministeriums des Innern in Berlin
© C. Müller - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27861177

Die Antworten zeichnen ein vielfarbiges Bild. Fast alle Bundesländer erproben Bodycams oder beschafften sie bereits für den Einsatz. Ausnahmen bilden jedoch Brandenburg und Berlin. Der stellvertretende Pressesprecher der Senatsverwaltung für Inneres und Sport teilte mit, die Berliner Polizei verwende im Einsatz keine Bodycams. Gegenwärtig liefen jedoch in der Bundeshauptstadt die Vorbereitungen für die Schaffung einer Ermächtigungsbefugnis in Form einer Rechtsgrundlage und einen zweijährigen Probelauf. In Brandenburg trat die für die Erprobung von Bodycams erforderliche Rechtsgrundlage erst am 1. April 2019 in Kraft. Gegenwärtig bereitet man in Potsdam eine Pilotstudie vor, die auf §31 a des Polizeigesetzes fußt, der den Minikameras einen großen Einsatzrahmen – auch im nicht-öffentlichen Bereich – vorgibt, insbesondere in Fällen der Eigensicherung.

Der Vorreiter bei der Erprobung und Beschaffung von Bodycams war Hessen. Im Frankfurter Stadtteil Alt-Sachsenhausen testeten Polizisten die Minikameras seit Mai 2013 für ein Jahr. In dem beliebten Kneipenviertel der Mainmetropole war es häufig zu Übergriffen auf Polizeibeamte gekommen. Nach ersten positiven Ergebnissen, fanden weitere Erprobungen in Frankfurt, Wiesbaden und Offenbach statt und es wurden insgesamt 100 Bodycams für die hessische Polizei beschafft, die allerdings nur im öffentlichen Raum verwendet werden dürfen. Die Auswertung der Testphase belegte eine deeskalierende und präventive Wirkung der Bodycams. So ging die Zahl der Angriffe auf Polizisten um rund ein Drittel zurück und 24 Aufnahmen der Minikameras wurden in Strafverfahren als Beweismittel verwendet. Daher wird Hessen etwa 300 Modelle eines optimierten Gerätes für seine Bereitschaftspolizeien und die Polizeipräsidien beschaffen.

Rheinland-Pfalz führte seit 2014 zwei Pilotprojekte in den Polizeipräsidien Koblenz und Mainz durch. Sie ergaben, dass die Körperkameras „ein taugliches Einsatzmittel im Zusammenhang mit der Verhinderung von Angriffen auf Polizeibeamte/-innen (sind), mit denen grundsätzlich ein präventiver Druck und folglich eine deeskalierende Wirkung erzielt werden kann.“ Gleichwohl ist deren Einsatz „nur in öffentlichen Räumen erlaubt, wenn durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeibeamten/-innen oder von Dritten gegen eine Gefahr für deren Leib oder Leben erforderlich ist.“ Anschließend wurden weitere Erprobungen in den Mittel- und Oberzentren durchgeführt und sodann 240 Bodycams flächendeckend für die Polizeiinspektionen und Polizeiwachen des Landes, die Einsatzhundertschaften sowie die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten beschafft.

In Baden-Württemberg beließ man es aufgrund der positiven Erfahrungen anderer Bundesländer bei einer lediglich sechswöchigen Anwendererprobung, bei der mehrere unterschiedliche Bodycams getestet wurden. Anschließend beschaffte die Landesregierung für die 146 Polizeireviere 1.350 Kameras. Die Polizisten führen die Bodycams im Streifendienst mit, dürfen sie aber aufgrund der für sie geltenden gesetzlichen Regelung in Wohn- und Geschäftsräumen nicht einsetzen. Eine sozialwissenschaftliche Studie, die im Jahr 2020 abgeschlossen wird, soll erhellen, wie häufig diese Funktion in der Praxis genutzt wird. Gleichzeitig wird geprüft, ob noch in weiteren Bereichen Bedarf für die Minikameras besteht. Die bisher gesammelten Erkenntnisse deuten darauf hin, „dass Bodycams ein Mittel zur Reduktion der Gewalt gegen Polizeibeamte sein können.“

Zwischen Dezember 2016 und November 2017 erprobte der Freistaat Bayern Bodycams in sieben Inspektionen der Polizeipräsidien München, Oberbayern Süd und Schwaben Nord. Nachdem dieser Test positiv verlaufen war, richtete das PP München eine Projektgruppe zur landesweiten Beschaffung von 1400 Bodycams bis Ende des Jahres 2019 ein. Aufgrund § 33 PAG dürfen ausschließlich uniformierte Streifenkräfte der Schutz- und Bereitschaftspolizei die Kameras an öffentlich zugänglichen Orten verwenden. Zur Abwehr einer dringenden Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person, ist deren Anwendung auch in Wohnungen möglich. Deren Einsatz „bei Versammlungen, zur Dokumentation von Verkehrsstraftaten bzw. -ordnungswidrigkeiten sowie für Zwecke der Verkehrsunfallaufnahme“ ist jedoch ausgeschlossen. Eine wissenschaftliche Untersuchung verglich bei fünf Erprobungsdienststellen die „Gewalt gegen Polizeibeamte-Fallzahlen“ des Jahres 2017 gegen Body-Cam-Träger mit denen gegen Nicht-Body-Cam-Träger, bezogen auf 1000 Einsatzstunden. Bei Ersteren kam es zu deutlich weniger Gewaltdelikten.

Im Juni 2015 führte die Hamburger Polizei 16 Bodycams im Rahmen eines Pilotprojekts ein, von denen neun im Einsatz genutzt werden. Deren Verwendung ist in öffentlich zugänglichen Bereichen vorgesehen, insbesondere an sogenannten „Gefährlichen Orten“ in den Stadtteilen St. Pauli und St. Georg, bei Präsenzmaßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung, bei Großveranstaltungen oder Volksfesten und bei Kontrollmaßnahmen in der Verkehrsüberwachung. Über das Mitführen der Kameras entscheidet in der Hansestadt der jeweilige Polizeiführer. Grundsätzlich sollen weitere Geräte beschafft werden, jedoch hängt das von den noch laufenden Prüfungen ab. Aus Erfahrungswerten leiten die Hamburger ab: „Die Bodycam ist grundsätzlich geeignet, deeskalierende Wirkung zu entfalten. Das lässt sich anhand der geringen Anzahl von Widerstandshandlungen in Anwesenheit eines Videoteams ableiten. Es ist generell eine gesteigerte Kooperationsbereitschaft des polizeilichen Gegenübers beim Einsatz der Bodycam festzustellen. Zudem sind die generellen Verhaltensänderungen Umstehender als Entlastung und die potenzielle Nachweisführung rechtmäßigen Einschreitens als positive Aspekte herauszustellen.“

D-Series Bodycam
© Reveal
Die Bereitschaftspolizei der Hansestadt Bremen erprobte von November 2016 bis Oktober 2017 sieben Bodycams des Typs RS2-X2L der Firma Reveal. Einsatzschwerpunkte waren die Diskomeile und der Bereich Sielwall. Nach einem positiven Fazit wurde der Probelauf auf den Einsatzdienst und die Begleitung von Volksfesten ausgeweitet. Eine Verwendung der Kameras in Wohnungen ist nicht zulässig. Gleichwohl vermerken es die einschreitenden Beamten in ihrem Bericht, wenn dies aus ihrer Sicht erforderlich gewesen wäre. Im Abschlussbericht wurde im November 2017 festgestellt: „dass der Einsatz der Bodycam dazu beiträgt, Gewalt(-eskalationen) zu verhindern und Polizeibeamte in ihrer Aufgabenwahrnehmung zu unterstützen. Dies gilt nach Auffassung der Abteilung Mitte/Süd auch und insbesondere in den erprobten Bereichen Hauptbahnhof und Viertel. Hierbei ist einschränkend jedoch festzustellen, dass die präventive Wirkung der Kamera je mehr abnimmt, desto mehr das polizeiliche Gegenüber unter dem Einfluss von Alkohol und/oder BTM steht bzw. nur gering zum Tragen kommt, wenn Taten aus einer Gruppe heraus begangen werden. In diesem Fall ermöglicht die Kamera jedoch eine videografische Beweismittelerstellung für spätere Strafverfahren, bei denen die einzelnen Tatbeiträge ggf. auch verschiedener Personen eindeutig zuordnungsbar sind. Eine Fortführung des Kameraeinsatzes wird daher aus Sicht der berichtenden Abteilung BP und der Abteilung Mitte/Süd befürwortet.“

Niedersachsen testete von Dezember 2016 bis März 2017 21 Bodycams. Danach wurden 500 Geräte beschafft, denen weitere 500 folgen sollen, die im Einsatz- und Streifendienst genutzt werden. Dabei ist die Verwendung in Wohnungen nicht gestattet. Die Polizisten berichteten von einem „Abschreckungseffekt“. Sie stellten heraus, bereits die „Sichtbarkeit der Bodycam habe in vielen Fällen genügt, eine Zurückhaltung der/des Betroffenen zu erzeugen. Mit einem zusätzlichen Hinweis auf die Aufzeichnungsmöglichkeit wurde nochmals verdeutlicht, dass ihr Verhalten ggf. dokumentiert wird. Spätestens danach zeigten die meisten Personen ein verändertes Verhalten. (…) Im Rahmen des Pilotprojektes kam es lediglich in vier Fällen trotz des Bodycameinsatzes zu Gewalthandlungen gegenüber Einsatzkräften.“

In Nordrhein-Westfalen startete am 1. Mai 2017 in den Polizeibehörden Duisburg, Düsseldorf, Köln, Wuppertal und Siegen-Wittgenstein das Pilotprojekt zur Erprobung der Bodycams. Ein Jahr später beschloss Düsseldorf deren flächendeckende Einführung im Wachdienst. Die Ausgabe an die Polizistinnen und Polizisten steht unmittelbar bevor. Die Nutzungsbedingungen der Bodycams regelt § 15c des Polizeigesetzes des Landes NRW. Liegen die Voraussetzungen des § 15 c (2) PolG NRW vor, dürfen sie auch in Wohnungen genutzt werden. Erklärtes Ziel des Einsatzes der Bodycams ist es: „…eine deeskalierende Wirkung beim polizeilichen Gegenüber zu erzeugen und Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten zu verhindern.“

Ende 2015 begann das Landespolizeipräsidium des Saarlandes, die Rahmenbedingungen für die Einführung von Bodycams zu prüfen. Nach dem Probewirkbetrieb in der Zeit von Juli 2016 bis Januar 2017 wurden für die operativ eingesetzten Kräfte der Polizeiinspektionen sowie die Operative Einheit Saarland 66 Minikameras beschafft. Weitere Geräte stehen in der Ausbildung zur Verfügung. Der Einsatz der Kameras in Wohnungen ist rechtlich nicht zulässig. In der Erprobungsphase wurden weniger Fälle von Gewalt gegen Polizisten erfasst; eine Auswertung des Echtbetriebs steht noch aus.

Nachdem die Bundespolizei im Jahr 2017 Bodycams erprobt und im Folgejahr auf ihre Eignung überprüft hatte, wurde 2019 mit ihrer Einführung begonnen. Am 1. Juli 2019 setzte die Bundespolizei 400 Minikameras ein, bis Ende 2020 sollen ca. 2300 Geräte ausgeliefert werden. Gemäß § 27a Abs. 1 BPolG dürfen sie nur an öffentlich zugänglichen Orten verwendet werden. Die Erfahrungen in insgesamt sechs Dienststellen der Bundespolizei zeigten, „dass die Eigensicherung der eingesetzten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei, insbesondere im täglichen Streifendienst, verbessert wird.“

Die Polizei in Thüringen führte beginnend im März 2017 ein halbjähriges Pilotprojekt mit Bodycams durch, in dessen Verlauf 18 Geräte zum Einsatz kamen. Für einen Axon Body
© Axon
weiteren, im Dezember 2018 begonnenen Versuch, beschaffte die Landesregierung 76 Geräte, die ebenfalls im Einsatz- und Streifendienst im öffentlichen Raum – aber nicht bei Versammlungen – verwendet werden. Ob weitere Minikameras angeschafft werden, wird nach Abschluss der Erprobung und der Auswertung der begleitenden wissenschaftlichen Evaluation entschieden.

Auch in Sachsen dauert die im November 2017 begonnene Testphase, bei der 25 Geräte der Hersteller Reveal und Axon erprobt werden, noch an. Die Bodycams werden im Streifeneinzeldienst im öffentlichen Raum verwendet mit dem Ziel, konfliktbeladene Situationen zu deeskalieren „und damit auch der Verbesserung der Eigensicherung zu dienen. Weitere Einsatzwecke sind die Beweissicherung und eine überprüfbare Dokumentation polizeilichen Handelns.“ Der Einsatz der Kameras wird „bei Versammlungen nicht empfohlen.“ Landesweit sollen sie mit dem neuen Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetz am 1. Januar 2020 eingeführt werden. Das Probejahr 2017/18 wurde von der Hochschule der Sächsischen Polizei begleitet. In dem Abschlussbericht wird resümiert: Es „kann von einem positiven Einfluss des Body-Cam-Einsatzes ausgegangen werden.“ Die Verfasser der Studie raten: „Ohne eine spezialgesetzliche Regelung für den präventiven Einsatz im SächsPolG erscheint eine landesweite Einführung nicht sinnvoll.“

In Sachsen-Anhalt wurden im Jahr 2017 im Rahmen eines in den Polizeirevieren Magdeburg, Halle und Dessau-Roßlau durchgeführten Pilotprojekts 50 Bodycams für die Beamten im Streifeneinzeldienst beschafft. Der Einsatz der Minikameras ist gesetzlich auf den öffentlichen Raum begrenzt. Nach Abschluss des Pilotprojekts wird entschieden, ob weitere Geräte angeschafft werden.

In Mecklenburg-Vorpommern wurden zwischen Juli 2018 und Februar 2019 jeweils 13 Bodycams unterschiedlicher Hersteller im Streifendienst bzw. Schichtdienst der Polizeireviere getestet. §32a SOG M-V regelt, dass der Einsatz der Kameras „sowohl an öffentlich zugänglichen Orten als auch in Wohn- und Geschäftsräumen sowie auf befriedetem Besitztum erlaubt“ ist. Die Entscheidung über die Beschaffung weiterer Bodycams erfolgt nach Abschluss der Pilotstudie.

In Schleswig-Holstein begann die Erprobung der Bodycams im Juni 2018. In drei Pilotdienststellen in Kiel und Lübeck und der 1. Einsatzhundertschaft der PD AFB werden jeweils zwölf Geräte beim täglichen Dienst an öffentlich zugänglichen Orten und bei öffentlichen Großveranstaltungen getestet. In Privatwohnungen oder bei Demonstrationen ist deren Verwendung nicht vorgesehen. Ob weitere Kameras beschafft werden, wird nach Abschluss der Erprobung entschieden.

Das Pre-Recording

Die Frage, ob die Pre-Recording-Funktion verwendet werden darf und wie lange die Aufnahmesequenz voreingestellt ist, wird in den einzelnen Bundesländern und bei der Bundespolizei sehr unterschiedlich beantwortet. Das Land Berlin hat dazu noch keine Entscheidung getroffen. In Brandenburg ist zwar noch nicht sicher, ob Bodycams beschafft werden, jedoch steht fest, dass die Polizisten diese Funktion werden nutzen dürfen. Ohne zeitliche Festlegung der Aufzeichnungsdauer ist dies ebenfalls erlaubt in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und bei der Bundespolizei. Auf 30 Sekunden ist die Aufnahmezeit begrenzt in Bremen, Hessen, Bayern und im Saarland. Baden-Württemberg schreibt eine maximal 60 sekündige Aufzeichnung vor. Nicht erlaubt bzw. nicht genutzt wird die Funktion in Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen und Rheinland-Pfalz, wo man betont, die Pre-Recording-Funktion werde „allgemein verfassungsrechtlich kontrovers diskutiert“, weshalb diese „vorsorgliche, anlassunabhängige Bildaufzeichnung gemäß § 27 a (3) POG in Rheinland-Pfalz unzulässig und nicht vorgesehen“ sei.

Fazit

Zahlreiche Bundesländer werten die Ergebnisse ihrer Bodycam-Einsätze wissenschaftlich aus. Diese Studien belegen nahezu unisono, dass die Gewalt gegen Polizisten durch die kleinen Kameras verringert wird. Jedoch ist nicht sicher, ob alle Länder diese Geräte beschaffen werden. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass in den Ländern nicht die gleichen Richtlinien für deren Einsatz gelten werden. Kontrovers wird unter anderem die Frage beantwortet, ob die Geräte auch im nicht-öffentlichen Raum verwendet werden dürfen. Große Differenzen gibt es auch bei Verwendung der Pre-Recording-Funktion.

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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