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Gästefanblock im Fritz-Walter-Stadion auf dem Betzenberg in Kaisers-lautern

Pyrotechnik in Fußballstadien – eine heiße Kiste

Fankultur versus Sicherheit bei Massenveranstaltungen1


Von Polizeihauptkommissar Sascha Heidenreich, Polizeipräsidium Westpfalz

Welcher Fußballfan schaut nicht aufmerksam nach Italien, Polen, Grie-chenland oder Südamerika, wenn die Massen durch das rot schimmernde Licht elektrisiert werden? Emotionen pur – als Unterstützung der eigenen Mannschaft. Leidenschaft gehört unabdingbar zum Fußball. Soweit die Mythen der Fans und Rituale der Fankultur.
Aktuell kämpft die Ultra-Szene unter dem Motto „Pyrotechnik legalisieren - Emotionen respektieren“ in einer bundesweiten Kampagne gegen Kriminalisierung der Pyrotechnik. Die Thematik wird sogar in Reihen der Polizei kontrovers diskutiert.

 


1. Was macht eigentlich Pyrotechnik aus?

Vor dem aktuellen Hintergrund unterscheidet die Ultra-Szene sehr genau zwischen dem Abbrennen von bengalischen Feuern („Bengalos“) und dem Einsatz von Böllern. Die Szene sieht Pyro-technik als traditionelles Stilmittel der Fankultur ebenso wie Fahnen oder Doppelhalter. „Das Herz blüht auf, wenn wir das Zischen einer Fackel hören. Wir wären uns selbst nicht treu, wenn wir uns sträuben würden, Bengalische Feuer zu zünden. Diese Emotion ist nicht mit Worten zu beschreiben, man muss ein Teil des Ganzen sein, um ansatzweise zu verstehen, warum wir dieses Stilmittel so fanatisch lieben (…)“.

Beispielsweise das Braunschweiger „Südkurvenecho“2  sieht im Deut-schen Fußball mit der WM 2006 einen Sicherheitswahn ausgelöst. In der angestoßenen Kampagne distanzieren sich die Teilnehmer von Böllern, Leuchtspurgeschossen und Fackelwürfen u. a. mit der Aussage „Pyrotechnik gehört in die Hand und nicht auf den Boden“. Der Verfasser wertet das kontrollierte Abbrennen von Bengalos als positiven Einsatz und somit als Erfolg; gleichwohl ist er sich der Illegalität des Handelns bewusst und erkennt ebenso, dass dem eigenen Verein damit Schaden zugefügt wird.

 

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2. Rechtliche Betrachtung

Bilder von anscheinend brennenden Arenen werden uns neben den Einsätzen in Fußballstadien mittlerweile auch an Formel-1–Strecken und im Rahmen von Box-Kämpfen sowie bei anderen sportlichen und gesellschaftlichen Ereignissen geboten. Zur rechtlichen Beurteilung von pyrotechnischen Gegenständen muss eine Fülle von Rechtsvorschriften heran gezogen werden; die Einordnung des jeweiligen Gegenstandes kann spielentscheidend sein.


2.1 Allgemeine Rechtsgrundlagen

Die Art der Gegenstände und Substanzen, die unter die Regelungen des Sprengstoffgesetzes fallen, sind in § 1 SprengG definiert. Hierunter fallen auch die pyrotechnischen Gegenstände gemäß § 1 (2) SprengG.
Das Gesetz bestimmt, dass grundsätzlich jeder Umgang, Verkehr und die Einfuhr der dort aufgeführten Stoffe und Gegenstände einer Erlaubnis bedürfen. Ausnahmen müssen ausdrücklich aufgeführt sein.
Im Gegensatz zu pyrotechnischen Gegenständen unterliegt konfektio-nierte pyrotechnische Munition den Bestimmungen des Waffen-gesetzes.


2.2 Definition der pyrotechnischen Gegenstände

Im Sinne des § 3 (1) Nr. 2 SprengG sind pyrotechnische Gegenstände solche, die Vergnügungs- oder technischen Zwecken dienen und in denen explosionsgefährliche Stoffe oder Stoffgemische enthalten sind. Sie sind dazu bestimmt, unter Ausnutzung der in ihnen enthaltenen Energie Licht-, Schall-, Rauch-, Nebel-, Heiz-, Druck- oder Bewegungswirkungen zu erzeugen.


2.3 Zulassung von pyrotechnischen Sätzen und Gegenständen

Pyrotechnische Sätze und die gemäß § 1 (2) S. 2 SprengG ihnen gleichgestellten pyrotechnischen Gegenstände dürfen nur eingeführt, verbracht, vertrieben, anderen überlassen oder verwendet werden, wenn sie ihrer Zusammensetzung, Beschaffenheit und Bezeichnung nach von der Bundesanstalt (BAM) oder durch Rechtsverordnung nach § 6 (1) Nr. 1 SprengG allgemein zugelassen sind.
Die Zulassung nach § 5 SprengG ist eine Muster- oder Bauart-zulassung. Sie nimmt u. a den Hersteller, Einführer und den Verwender in die Pflicht. Abweichungen und / oder Zusammensetzung sind durch die Zulassung nicht abgedeckt.


2.4 Klassifizierungen von pyrotechnischen Gegenständen

Pyrotechnische Gegenstände sind gemäß § 6 der 1. SprengV nach dem Grad ihrer Gefährlichkeit und / oder nach ihrem Verwendungs-zweck in die fünf nachfolgenden Klassen eingeteilt:

Klasse I Kleinstfeuerwerk z.B. Tischfeuerwerk, Amorces, Tretknaller, Wunderkerzen
Klasse II Kleinfeuerwerk z.B. Knallkörper, Schwärmer, Bengalfeuer, Sternraketen, Sonnen
Klasse III Mittelfeuerwerk z.B. Horizontalkaskaden, Feuerräder, Feuertöpfe, Brillantfontänen
Klasse IV Großfeuerwerk z.B. Etagen- und Blitzknallfronten, Kometenbomben
Klasse T Pyrotechnische Gegenstände
für technische Zwecke
z.B. Schiffs- und Notsignalraketen, Rauchpulver, Bühnenfeuerwerk
 
 
2.5 Rauchpulver als pyrotechnischer Gegenstand der Klasse T

In konfektionierter Form kann Rauchpulver in einem geschlossenen Behältnis aus Kunststoff-, Papp- oder Papiermaterial erworben werden. Dieses Behältnis muss den Anforderungen des § 16 der 1. SprengV und hinsichtlich der Kennzeichnungspflichten den Be-stimmungen des § 14 der 1. SprengV entsprechen.
Ausschließlich in einem authentischen Ursprungsbehältnis verkörpert Rauchpulver einen zugelassenen pyrotechnischen Gegenstand der Unterklasse T.

Einsatz von Rauchpulver im StadionObwohl sich an der Zusammensetzung und Wirkungsweise des Stoffes zur Erzeugung eines pyrotechnischen Effektes in Form von Rauch nichts verändert, stellt bereits das Umfüllen, z. B. in kleinere Behälter eine erlaubnispflichtige Herstellung / Veränderung eines pyrotechnischen Gegenstandes dar, der dem Anforderungsprofil der ursprünglich zugrunde liegenden Baumusterzulassung nicht mehr ent-spricht. Diese Gegenstände sind dann als nicht zugelassene pyrotechnische Gegenstände oder Sätze im Sinne des Sprengstoffrechtes zu betrachten. Somit zieht eine zweckwidrige Verwendung des pyrotechnischen Gegenstandes Rauchpulver (Umfüllen / Abbrennen im Stadion) den Verlust der erteilten Zulassung nach sich. Der Erwerb von und der Umgang mit nicht zugelassenen pyrotechnischen Gegenständen erfüllt den Straftatbestand des § 40 (1) SprengG.

In ähnlichen rechtlichen Konstruktionen stellt z. B. das Mitführen von Schreckschusswaffen oder Abschussstiften, die man aus der Seenotrettung kennt, bei Fußballspielen (als öffentliche Veranstaltungen) ein Vergehen nach § 52 (3) Nr. 9 WaffG dar.


2.6 Gefahren von pyrotechnischen Gegenständen

Gefahren durch pyrotechnische Gegenstände gehen nicht nur von den heiß brennenden Bengal-Lichtern aus, sondern ebenso vom Rauch. Dieser breitet sich oft weiträumig aus und zieht nur sehr langsam ab; zudem enthält er giftige, gesundheitsgefährdende Stoffe.

Beim Abbrennen von Bengal-Fackeln entstehen Temperaturen um 2000 Grad Celsius. Das gleißende Licht kann im Nahbereich Augenschäden hervorrufen; manche Bengalos zeigen eine Sprühwirkung. Die außergewöhnliche Verbrennungsgefahr liegt auf der Hand.

Bengalos lassen sich nicht mit Wasser löschen, Ersticken mit Sand ist nicht möglich. Auch Ablöschversuche mittels Feuerlöscher oder Kohlensäure schlagen häufig fehl. Brennende pyrotechnische Gegenstände auszutreten ist völlig sinnlos und gefährlich!

Auch wenn es dem einschreitenden Polizeibeamten im Einzelfall schwer fallen mag, den funkelnden Bengalo vor johlendem Publikum unbekämpft wirken zu lassen, so ist der kontrollierte Abbrand die einzige Möglichkeit.
Mittlerweile wird das Zünden pyrotechnischer Gegenstände in einer Menschenmenge bundesweit als versuchte gefährliche Körperver-letzung (in der Variante „Beibringung von Gift“) eingestuft; ermittelte Täter werden zudem mit bundesweitem Stadionverbot belegt.


3. Was kann die Polizei tun?

Im Einsatzkonzept bei Fußballspielen wird dem Thema „Pyrotechnik“ angemessen Raum gegeben. Im Ergebnis aktueller empirischer Sozialforschung tritt das Phänomen „Pyrotechnik“ quer durch die Republik bereits bei Spielen der unterklassigen Amateurligen auf. Neben den aufgezeigten Gefahren für Unbeteiligte ist zu beobachten, dass Teile der Stadionbesucher gegnerische Fans und auch Polizeibeamte oder Diensthunde mit Pyrotechnik angreifen. Ein beachtliches Maßnahmenbündel wirkt der bedeutenden Problematik entgegen.

Die Polizei setzt zunächst auf die Karte Kommunikation und sucht den Dialog mit den Fans; Vereine und Fanprojekte arbeiten in partnerschaftlicher Manier mit. Neben den bekannten Fan-Polizisten in ziviler Kleidung - konkret: Szenekundige Beamte (SKB)- wird hochmoderne Video¬technik zur Identifizierung der Täter und Beweissicherung eingesetzt.

Bereits im Vorfeld erfolgen Durchsuchungen nach Polizeirecht; oder Maßnahmen des Veranstalters auf dem Hausrecht fußend, um Ein-schmuggeln von Pyrotechnik ins Stadion zu verhindern. In diesem Zuge wird teilweise das Mitführen übergroßer Transparente untersagt, wenn zu befürchten steht, dass diese als Sichtschutz beim Abbrennen von Pyrotechnik genutzt werden sollen.

Polizei zeigt Präsenz; ohne Fußballfans unnötig einzuengen und betreibt Aufklärung. Personalienfeststellungen erfolgen nach Ermächtigungen aus dem Polizeirecht, Fantrennung / Fanbegleitung, angemessene Verkehrsführung, erforderlichenfalls werden Platzverweise ausgesprochen
Teilweise werden Schwerpunktstaatsanwälte eingesetzt, die über das erforderliche Spezialwissen verfügen. Am Standort Kaiserslautern befindet sich stets ein Staatsanwalt im Stadion, um Sachverhalte unverzüglich subsumieren zu können.

Der 1. FC Kaiserslautern hat in der Vergangenheit bei einem „high-risk-Spiel“ in Absprache mit der Polizei bereits auf das Instrument des personalisierten Ticketverkaufs zurückgegriffen, um bekannte Problem-Fans vom Kartenkauf auszuschließen. Auch die Anordnung glasfreier Zonen kann die Nutzung pyrotechnischer Gegenstände zumindest erschweren.

Erkenntnisse aus der Datei „Gewalttäter Sport“ werden heran ge-zogen, um präventivpolizeiliche Maßnahmen wie Gefährdeansprachen, Meldeauflagen oder Betretungsverbote bei Risikospielen zielgerichtet durchführen zu können.


4. Fazit

Kulisse 1. FC Kaiserslautern – CF Barcelona 1991Unter dem Druck der Bestrebungen der Ultras, Pyrotechnik zu legalisieren, prägt etwa der Vorstandsvorsitzende von Hannover 96 den Begriff „ungefährliche Pyrotechnik“. Der DFB holt Rechts-gutachten u. a. zu versicherungs-technischen Fragen ein, verweist aber gleichzeitig auf die geltende Rechtslage.
Ich selbst habe 1991 auf dem Betzenberg die dichte Atmosphäre im legendären Spiel der Champions League gegen den FC Barcelona erlebt. Minutenlang war das Spielfeld im Nebel kaum mehr zu erkennen, trotzdem ergab sich eine bemerkenswerte Stimmung im Zusammenspiel aus Lautstärke, Licht und Rauch, aber … der Kram ist halt verboten!

Nachdem am 4. Spieltag der laufenden Saison Anhänger des FC Bayern München im Fritz-Walter-Stadion nachhaltig belegten, dass der freiwillige Verzicht auf Pyrotechnik auf die ersten 3 Spieltage be-schränkt war, gebe ich der Aktion keine Chance.

Das Kulturgut „Fußballbegeisterung – Stimmung im Block“ muss hinter der Gefährdung unzähliger Personen und in Abwägung mit geltendem Recht einfach zurück stehen. Dementsprechend läge es nahe, die immer sporthallenähnlicheren Fußballarenen zur Nichtraucherzone zu erklären.


Begeisterung ja – Pyro nein !

 

[1] Literaturhinweise beim Verfasser
[2] ein kostenloses Info-Blatt der Gruppierung „Cattiva Brunsviga“

 

 

 

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