Skip to main content

Quo vadis Bargeldversorgung 201N?

Von Christian Ambron


Auch im digitalen Zeitalter gilt für die weit überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung offensichtlich das Motto „Nur Bares ist Wahres“! Wie sonst ist es zu erklären, dass die Verbraucher in der weit überwiegenden Zahl aller Bezahlvorgänge am sogenannten Point of Sale diese nach wie vor mit Bargeld begleichen.

 

1. IST-Situation im Euro-Raum bzw. in Deutschland

Die sich im Euroraum im Umlauf befindliche Bargeldmenge steigt seit Jahren kontinuierlich an (Banknoten
+ 5,8% / Münzen + 3,6%) und belief sich 2011 insgesamt auf den Wert von 8.909,1 Mrd.Euro.



Tabelle 1: Jährliche Wachstumsrate des Euro-Bargeldes
Jährliche Wachstumsrate des Euro-Bargeldes

 

Wie die Studie: „Zahlungsverhalten in Deutschland 2011“ (Deutsche Bundesbank, 2012) zeigt, ist Bargeld bei den Verbrauchern nach wie vor das mit Abstand beliebteste Zahlungsmittel, und rd. 82% aller Käufe im Handel werden nach wie vor mit Bargeld bezahlt.
Der Anteil der bargeldgestützten Bezahlvorgänge (53,1%) sowie des entsprechenden Umsatzanteils (Wert in Euro) entwickelt sich zwar bereits seit Jahren rückläufig. Allerdings verläuft dieser Rückgang mit jährlich ca. ein bis zwei Prozentpunkten sehr verhalten.
Die Tabelle 2 des EHI Retail Institute aus 2011 zeigt die Anteile der Zahlungsarten am Umsatz des Einzelhandels in Deutschland, allerdings ohne die Umsätze für Mineralölprodukte, der Apotheken, im Versandhandel und der Kfz-Branche. Bei dieser Betrachtung liegt der Bargeldanteil an den Bezahlvorgängen mit 57,2% sogar noch über den Werten der Bundesbankstudie.

 

Tabelle 2: Anteile der Zahlungsarten am Umsatz des Einzelhandels in Deutschland

Anteile der Zahlungsarten am Umsatz des Einzelhandels in Deutschland

Anteile der Zahlungsarten am Umsatz


Von den diversen bargeldlosen Bezahlverfahren hat bislang einzig die Girocard (EC-Cash und ELV) signifikante Anteile an Umsatz (28,3%) und Transaktionen (13,4%) gewonnen.
Der Anteil der Kreditkarten an den Bezahlvorgängen ist mit 7,4% beim Umsatz und 1,8% an den Transaktionen deutlich geringer.
Die neu überarbeitete Studie „Zahlungsverhalten in Deutschland 2011“, welche von der Deutschen Bundesbank im Oktober 2012 veröffentlicht wurde, hat diese Trends der vergangenen Jahre bestätigt.


2. Aktuelle Ausgangssituation von Handel und Kreditwirtschaft

Die Handelsunternehmen betonten bislang immer stark, dass Bargeld für sie noch immer das kostengünstigste Zahlungsmittel darstellt.
Auf der anderen Seite bepreisen weite Teile der deutschen Kreditwirtschaft, insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die Leistungen der Bargeldversorgung bislang nach wie vor nicht oder nur minimal, obwohl die Bargeldversorgung für die deutsche Kreditwirtschaft mit sehr hohen Kosten verbunden ist.
Daher ist die Motivation der Wirtschaft, die Verwendung bargeldloser Zahlungsmittel am Point of Sale massiv zu fördern, auch? als nach wie vor ausbaufähig anzusehen.
Die Bargeldversorgung Deutschlands kostet die Kreditwirtschaft jährlich mehr als 4 Milliarden Euro. Diese Kosten beinhalten im Wesentlichen Personalkosten, Sachkosten (z. B. Raum-, Geldbearbeitungs- und Transportkosten), IT-Kosten sowie Kapitalbindungskosten.


3. „Herausforderung Bargeld“ für eine flächendeckende Bank

Wie bewältigt eine flächendeckende Bank, wie die Commerzbank, die „Herausforderung Bargeld“, um ihre Selbstbedienungsgeräte zur Ein- und Auszahlung von Bargeld sowie ihre Filialkassen bedarfsgerecht mit den benötigten Scheinen und Münzen auszustatten?
Es ist unser zentrales Ziel, die Verfügbarkeit unserer Selbstbedienungsgeräte für deren Nutzer bei mindestens 98% (7 Tage / 24 Stunden) zu gewährleisten.
Die Versorgung von rd. 2.500 Selbstbedienungsgeräten (SB Cash-Geräte) und ca. 850 Filialkassen mit Euro-Bargeld, inkl. Geldbearbeitung, sowie die Ein- und Auszahlung der Gelder bei der Bundesbank wird durch die SOLTRX Transaction Services GmbH (STS) gesteuert und von vier WDL operativ durchgeführt.

Wer ist STS?

 

3.1 Steuerung der Bargeldversorgung durch Einführung von CashEDI

Für die Abwicklung von Ein- und Auszahlungen bei der Bundesbank setzen wir bereits seit 2008 das, ab dem kommenden Jahr verpflichtende, „CashEDI“-Verfahren ein.
CashEDI ermöglicht die enge und taggleiche Überwachung der Bargeldströme, durch Herstellung der Synchronität zwischen buchhalterischem und physischem Cash Flow, und sorgt somit für mehr Transparenz und eine deutlich höhere Sicherheit.
Die vor CashEDI bestehende Risikolücke, die durch den zeitlichen Versatz zwischen dem Zeitpunkt der Abgabe von Bargeld an die WDL und dessen Einzahlung durch die WDL gegeben war, konnte somit deutlich reduziert werden.
Der Ein- und Auszahlungsprozess bei der Bundesbank konnte mit CashEDI ebenfalls beschleunigt werden, und zur schnelleren, proaktiven Klärung von ggf. dennoch entstehenden Unregelmäßigkeiten stehen zeitnah Detailinformationen zur Verfügung. Insgesamt wird bei Verwendung von CashEDI somit die Gefahr von Manipulationen nachhaltig verringert. CashEDI hat daneben aber auch deutlich effizientere in- und externe Prozesse ermöglicht.
Für die Commerzbank hat sich folglich der sehr frühzeitige Einsatz von CashEDI in mehr als nur einer Hinsicht gelohnt.
Steuerung der Bargeldver- und -entsorgung


Die für die Versorgung von SB Cash-Geräten sowie Filialen benötigten Banknoten werden bei den Filialen der Bundesbank abgeholt bzw. dort eingezahlt. Ein- und Auszahlungen von Münzgeld erfolgen hingegen nur noch in sehr geringem Umfang.


4. Veränderungen des Status Quo im Bargeldkreislauf

Die bereits seit geraumer Zeit stattfindenden Veränderungen des Status Quo im Bargeldkreislauf wurden durch eine ganze Reihe von Maßnahmen initiiert, die aber durch unterschiedliche Initiatoren angetrieben werden.

Bargeldkreislauf

 
4.1 Wertdienstleister

Durch mehrere Faktoren, wie z. B.

  • Reduktion der Anbieter im Gesamtmarkt
    • - 2011/2012 sind mehrere Anbieter von größeren WDL übernommen worden
  • Neue Dienstleister im deutschen WDL-Markt
    • - der spanische, in 15 Ländern (Europa, Südamerika, Asien) tätige Wertdienstleister Prosegur hat Ende 2012 den größten deutschen WDL, die Firma SecurLog, zu 100% übernommen
  • Straffung der regionalen Präsenz mehrerer, größerer Anbieter
    • - durch Tausch von Standorten zwischen WDL
    • - durch Verkauf von Standorten an andere WDL
  • Erweiterung des Leistungsspektrums von WDL über das bisherige „Fahren und Bearbeiten“ hinaus
    • - Entstörung und Wartung von SB Cash-Geräten
    • - Angebot als Full-Service-Provider für Bargeldversorgung, inkl. Überwachung und Steuerung

ist der WDL-Markt in einem weiteren, intensiven Umbruch begriffen.

 
4.2 Deutsche Bundesbank

Über die Deutsche Bundesbank wurden 2011 bundesweit insgesamt 15,5 Mrd. Banknoten und 287,7 Mio. Münzrollen aus- sowie 14,9 Mrd. Banknoten und 287,7 Mio. Münzrollen eingezahlt.
Die Bargeldstrategie der Bundesbank erfährt nachhaltige Veränderungen einerseits durch Filialschließungen. Wurden 1990 noch insgesamt 210 und im Jahr 2000 bundesweit noch 129 Filialen unterhalten, so wird die Bundesbank in den Jahren 2012 bis 2015 ihr Filialnetz sukzessive von aktuell 47 auf dann 34 Standorte reduzieren. In 2017 soll eine neue Filiale fünf regionale Niederlassungen ersetzen. Die Anzahl der Bundesbankfilialen reduziert sich somit absehbar nochmals auf dann lediglich 31 Standorte.

Übersicht der Bundesbank-Standorte und der geplanten Schließungen von 2012 bis 2015

Die Filialschließungen führen für die privaten Bargeldakteure zu absehbar weiter steigenden Kosten durch längere Transportwege/-zeiten und spätere Einzahlungen bzw. frühere Geldabhebungen, um die aktuellen Servicelevel der Bargeldversorgung von SB Cash-Geräten und Filialen aufrecht erhalten zu können.
In der Münzgeldversorgung findet der Rückzug auf eine Großhändlerfunktion (Spitzenausgleich und Inverkehrgabe neuer Münzen) statt, und die Ein- und Auszahlungen von Münzgeld erfolgen primär in Großgebinden (Normcontainer).
Auch die Banknotenversorgung durch die Bundesbank und deren Einschaltung ?? in deren Kreislauf verändert sich nachhaltig, denn ab 2013 sind Ein- und Auszahlungen nur noch im CashEDI-Verfahren möglich. Daneben ist ein bis zu 50%iger Rückzug aus dem Bargeldrecyclingkreislauf angestrebt. Die zweiten 50% sollen private Anbieter, ohne Beteiligung der Bundesbank, übernehmen
Summa summarum zieht sich die Deutsche Bundesbank also in erheblichem Umfang aus dem Bargeldkreislauf, der bislang als hoheitliche Aufgabe gesehen wurde, zurück! Die dadurch entstehende Lücke muss aber durch private Bargeldakteure geschlossen werden, um die funktionierende Bargeldversorgung von Verbrauchern und Wirtschaft aufrecht zu erhalten.
Die Bundesbank realisiert mit ihren Maßnahmen jährliche, volkswirtschaftlich begrüßenswerte, massive Einsparungen. Allerdings werden diese Kosten auf die privaten Bargeldakteure verlagert, was zu weiteren, massiven Steigerungen der heute schon exorbitanten Aufwände führen wird.

 

4.3 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Verschiedene, nationale bzw. von EU und / oder EZB getriebene, regulatorische Maßnahmen üben Einfluss auf den Themenkreis „Bargeldversorgung“ aus.
Durch die (nationale) Umsetzung der entsprechenden EU-Beschlüsse in das Zahlungsdiensteaufsichts-gesetz (ZAG) haben alle WDL in 2011 ihre bei der Bundesbank geführten Konten verloren. Diese Konten dienten in erster Linie zur Beschaffung von Münzgeld, welches an den Handel geliefert wurde. Einzige Möglichkeit für ein WDL (wieder) ein eigenes Konto bei der Bundesbank führen zu können, wäre eine Zulassung nach den Vorgaben des ZAG als „Zahlungsdienstleister“ durch die hierfür zuständige BaFin. Diese Zulassung, die mit umfangreichen, hohen Auflagen verbunden ist, hat bislang jedoch kein WDL erhalten.
Insofern sind die WDL aktuell auf „Bankmodelle“ angewiesen, d. h., die WDL bekommen benötigte Münzen aus den Hartgeldbeständen von Banken, um die Münzgeldversorgung des Handels gewährleisten zu können.
Die Verordnung EG 1338/2001 zur Echtheitsprüfung von Euro-Münzen und zur Behandlung von nicht für den Umlauf geeigneten Euro-Münzen regelt, dass vor der Wiederausgabe von Münzen, durch Einsatz geeigneter Maschinen oder durch geschultes Personal, sichergestellt wird, dass es sich um echte Münzen handelt, die sich in einem für den Umlauf geeigneten Zustand befinden. Ab dem 01.01.2015 dürfen die „Fertiger von Münzrollen“ nur noch Maschinen verwenden, die von der zuständigen Behörde zertifiziert und gelistet wurden.
Bereits seit 2011 werden beschädigte, nicht mehr für den Umlauf geeignete Münzen durch die Deutsche Bundesbank nicht mehr ersetzt.
Mit der EU-Verordnung bzgl. grenzüberschreitender Werttransporte wurde eine Regelung geschaffen, die das Verbringen von Euro-Bargeld über die nationalen Grenzen hinweg ermöglichen soll. Aufgrund der Ausgestaltung der Bestimmungen ist der Radius der Transporte jedoch dahingehend eingeschränkt, dass ein Transportfahrzeug innerhalb des Tages, an dem die Grenze überquert wurde, wieder in das Land, aus dem es gekommen ist, zurückkehren muss. Praktisch dürfte damit die Strecke ab der Grenze bei maximal 200 bis 250 Kilometer liegen. Außerdem sind bei Grenzübertritt eine Vielzahl jeweils länderspezifischer Bestimmungen und gesetzliche Regelungen zu beachten. Von dem politisch ja ach so viel beschworenen „einheitlichen Währungsraum“ ist das jedenfalls noch weit entfernt.


5. Überlegungen zum künftigen Bargeldkreislauf

Die Kreditwirtschaft geht derzeit unverändert davon aus, dass Bargeld bis auf Weiteres das meistgenutzte Zahlungsinstrument bleiben wird. Die jederzeitige Aufrechterhaltung der Versorgung von Wirtschaft und Verbrauchern mit der benötigten Menge an Bargeld ist und bleibt elementare Aufgabe der Kreditwirtschaft und wird von der Öffentlichkeit auch als eine solche gesehen und erwartet!
Jegliche Beeinträchtigung der Bargeldversorgung würde, sowohl seitens der Verbraucher als auch der Unternehmen, daher wohl in allererster Linie der Kreditwirtschaft angelastet werden. Um dies zu verhindern gilt es, mehrere, potenzielle Optionen zu prüfen, die jedoch keinen „entweder oder“-Charakter haben, sondern eher als „sowohl als auch“-Ansatz anzusehen sind.
Ein künftiges Modell für ein umfangreiches privates Bargeldrecycling in Deutschland muss also möglichst folgende Anforderungen erfüllen:

  • das Niveau der Bargeldversorgung für Kreditinstitute, Handel, Verbraucher erhalten oder verbessern
  • die Kosten hierfür nicht ausufern lassen
  • bestehende wie künftige Risiken transparent und überschaubar gestalten
  • sowie ein wirtschaftlich tragfähiges Betreiberkonzept erlauben.

Über die heute vorhandenen logistischen Fähigkeiten (Fahrzeuge, Personal) hinaus verfügen die WDL, als einzige der privaten Bargeldakteure, aktuell über die benötigte Infrastruktur, die eine Realisierung von privatem Bargeldrecycling überhaupt möglich erscheinen lassen.
Sowohl der Großteil der Handelsunternehmen als auch die weit überwiegende Mehrzahl der deutschen Kreditinstitute verfügen nicht, bzw. nicht mehr über die entsprechenden Einrichtungen.
Allerdings stellt sich im gleichen Atemzug auch die Frage nach der Versicherbarkeit solcher Lösungen, die von den Assekuranzen jedoch bislang, ohne Vorlage konkreter Modelle, verneint wird.


6. Zusammenfassung

Bargeld ist teuer, wird aber in der Öffentlichkeit als kostenloses Gut gesehen.
Die durch den erheblichen Rückzug der Bundesbank dort eingesparten Kosten werden nicht ersatzlos entfallen. Der wesentliche Teil dieser Kosten wird, ebenso wie die Leistungen, „privatisiert“ und sich somit auf die anderen Bargeldakteure verlagern. Dabei ist davon auszugehen, dass der Löwenanteil davon auf die Nachfrager der bisherigen Bundesbankleistungen und damit in erster Linie auf die Kreditinstitute zukommt.
Die privaten Bargeldakteure, insbesondere die Kreditinstitute, sollten daher eine aktive Rolle in der Gestaltung der künftigen Bargeldversorgung übernehmen. Primäres Ziel sollte es sein, eine wettbewerbsneutrale Standardstruktur zur Gewährleistung einer möglichst kostengünstigen und flächendeckenden Bargeldversorgung zu entwickeln. Dies kann und wird aber nur dann gelingen, wenn sich die verschiedenen Beteiligten, die Deutsche Bundesbank, Wertdienstleister, Handelsunternehmen, Kreditinstitute und Versicherer zu gemeinsamen Lösungen durchringen und diese dann auch entsprechend entwickeln und anwenden.

Bargelddienstleistungen, welche Verbrauchern und Wirtschaft angeboten werden, sind hingegen als wettbewerbsrelevante Produkte anzusehen. Diese müssen sich, initiiert durch Nachfrager und Anbieter, am Markt frei entwickeln dürfen. Das „Produkt Bargeld“ muss dabei in einem fairen Wettbewerb zu anderen Zahlungsmitteln stehen und somit auch wertschöpfend bepreist werden dürfen.
Die Veränderungen des Marktes und seiner Rahmenbedingungen fordern, insbesondere von den privaten Bargeldakteuren, neue Lösungen ein. Ein massiver Umbruch in der Bargeldversorgung hat längst begonnen. Das einzig Beständige ist auch hier, wieder einmal, der Wandel.
Die Bargeldversorgung von Verbrauchern und Wirtschaft war, ist und bleibt auch weiterhin eine dauerhafte Herausforderung für alle Bargeldakteure – jeden Tag!

 

 

nach oben