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Mehr Sicherheit im Stadtverkehr

Das neue Technische Betriebszentrum der Stadt München beherbergt die modernste Verkehrsleitzentrale Europas

Von Hans Haimerl

In der Stadt München haben die etwa 1,4 Millionen Einwohner trotz des vorbildlich ausgebauten öffentlichen Nahverkehrs etwa 850.000 KFZ angemeldet. Zusätzlich muss die Verkehrsinfrastruktur der Stadt noch etwas über 400.000 Fahrzeuge verkraften, die täglich über den Mittleren Ring in den Kernbereich der Stadt einfahren. Dieser Verkehrsbelastung war die bestehende Verkehrsleitzentrale im Polizeipräsidium nicht mehr uneingeschränkt gewachsen. Daher gab der Stadtrat im März 2011 nach längerer Vorplanung den Startschuss für den Aufbau einer neuen Verkehrsleitzentrale. Diese sollte im Technischen Betriebszentrum in der Schragenhofstraße angesiedelt werden, das sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Bau befunden hat. Nur etwa ein Jahr später, Ende April 2012, konnten sowohl das Technische Betriebszentrum als auch die neue Verkehrsleitzentrale, die als modernste Europas gilt, feierlich und vor allem pünktlich eröffnet werden.

Eine Leitstelle für Stadt und Polizei

Das Technische Betriebszentrum ersetzt zwei stark sanierungsbedürftige Bauhöfe der Stadt München und umfasst neben der Verkehrsleitzentrale ein modernes Hochregallager für Ersatzteile wie etwa Leuchten, Masten, Kabel oder ganze Parkscheinautomaten, Reparaturwerkstätten, Bürobereiche, eine Cafeteria sowie mehrere Parkdecks für Mitarbeiter und Dienstfahrzeuge.

In der neuen Verkehrsleitzentrale arbeitet ein interdisziplinäres Team aus Mitarbeitern des Baureferats, des Kreisverwaltungsreferats und der Polizei. Während das Kreisverwaltungsreferat und die Polizei für die Kontrolle der Verkehrsströme zuständig sind, kümmert sich das Baureferat um die Funktion aller technischen Einrichtungen für den Straßenverkehr. Insgesamt werden 95.000 Straßenleuchten, 25.000 Tunnelleuchten, 1.100 Ampelanlagen, 5.300 Messquerschnitte zur Verkehrsdetektion sowie 4.450 Parkscheinautomaten von der neuen Zentrale aus gesteuert. Die Präsenz von Polizei und Baureferat bewirkt demnach eine engere Verzahnung der Tätigkeiten, um schneller und effizienter auf Vorfälle im Münchner Stadtverkehr reagieren zu können.

 

Großbildwand über 17 Meter

Mit der Realisierung der neuen Verkehrsleitzentrale wurde nach einer öffentlichen Ausschreibung die Bosch Sicherheitssysteme GmbH als technischer Generalunternehmer beauftragt. Das Projekt umfasste unter anderem die gesamte Niederspannungsinstallation, die Eigenstrom-versorgungsanlagen bestehend aus einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) mit Batterie, die Übertragungsnetze und die technische Möblierung.

Der Blickfang und das Highlight der 200 Quadratmeter großen Verkehrsleitzentrale ist eine Großbildwand mit 51 großformatigen Monitoren, auf denen jeweils die Daten von vier Kameras angezeigt (bitte hier Kasten einbauen) werden. Insgesamt haben die Mitarbeiter der Stadt und der Polizei simultan Zugriff auf 204 aktuelle Kamerabilder. Welche der insgesamt etwa 350 auf das gesamte Stadtgebiet verteilten Kameras jeweils aufgeschaltet werden, können die Operatorinnen und Operatoren frei bestimmen.

Doch nicht nur sie haben Zugang zu den Kamerabildern. Eine offene Galerie im ersten Obergeschoss eröffnet auch Besuchern den Blick auf die Großbildwand, die sich ein umfassendes Bild machen können, ohne die Abläufe in der Verkehrsleitzentrale zu stören.

Die 17 Meter breite Multimediawand visualisiert neben der Verkehrslage auch die Betriebszustände der technischen Anlagen aller Münchner Hauptstraßen. Bei Störungen können die Operatorinnen und Operatoren effektiv und reaktionsschnell die Verkehrssituation erfassen und zielgerichtet reagieren. Nach Unfällen oder Störungen der Systeme übernimmt der Entstördienst des Baureferates die Erstversorgung defekter Einrichtungen vor Ort, während die Polizei ggf. sehr schnell erforderliche Maßnahmen zur Rettung und Bergung einleiten kann.

 

Fehlertoleranz

Damit die Verkehrsleitzentrale nicht selbst durch Störungen lahmgelegt werden kann, wurde bei der Entwicklung und der Installation hoher Wert auf ein Ausfallsicherheitskonzept gelegt. Somit besitzen sowohl  die Videowand als auch der Technikraum je eine eigene Klimaanlage, damit die Monitore und ihre Leitrechner nicht überhitzen können. Wie Rechner und Monitore selbst sind  auch diese Klimaanlagen durch eine USV gegen Stromausfälle abgesichert. Die gesamte Wand ist abgekoffert, um einerseits einen effizienten Betrieb der Klimaanlage zu gewährleisten und andererseits die Mitarbeiter der Verkehrsleitzentrale von den Betriebsgeräuschen abzuschirmen.

Die Bildwand ist in vier Segmente unterteilt, die unabhängig voneinander angesteuert werden. Sollte einmal eines dieser Segmente ausfallen, können vordefinierte Konfigurationen über den Leitrechner der Großbildwand in kürzester Zeit erneut dargestellt werden, so dass die wichtigsten Kamerabilder in jedem Fall verfügbar bleiben. Auch für den Ausfall eines der neun Arbeitsplätze der Operatoren wurde vorgesorgt: Die Operatorin bzw.  der Operator kann sich mit dem gewohnten persönlichen Passwort an einem anderen System anmelden und bekommt dort genau die gleiche Konfiguration zur Verfügung gestellt wie auf dem eigenen Arbeitsplatz.

 

In der kalten Jahreszeit haben Verkehrsleitzentralen Konjunktur. Foto: Bosch Sicherheitssysteme Tunnel im Fokus

Besonderes Augenmerk genießen in der neuen Verkehrsleitzentrale die zahlreichen Tunnel am Mittleren Ring, der wohl wichtigsten Verkehrsader Münchens. Hier investiert die Stadt seit Jahren stark in die Verkehrsinfrastruktur und natürlich auch in die Sicherheit. Sämtliche Tunnel-neubauten werden nach den bundesweit gültigen "Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln" (RABT 2006) mit Sicherheitstechnik ausgerüstet, aber auch bestehende Tunnel wurden sicherheitstechnisch auf den neuesten Stand gebracht.

Im Rahmen des letzten abgeschlossenen Neubauprojekts "Tunnelkette Mittlerer Ring Ost" wurden der Richard-Strauss-, der Effner,- der Innsbrucker-Ring- und der Leuchtenbergring-Tunnel mit Hochleistungskameras vom Typ Bosch Dinion LTC 620 ausgestattet, einem Modell, das auch bei schwierigen Lichtverhältnissen stets hochqualitative Bilder liefert - etwa in den Portalbereichen und bei Gegenlicht. Bei Normalbetrieb werden die Live-Bilder in die neue Verkehrsleitzentrale übertragen. Die Auswertung der Videobilder erfolgt mit Hilfe eines intelligenten Bildanalyse-Systems vor Ort in den Tunneln, ohne das die Menge der Bilder kaum zu bewältigen wäre. Die Videosensorik unterstützt Kreisverwaltungsreferat, Polizei und Baureferat bei der Erkennung von Problemen, indem es vordefinierte Ereignisse wie beispielsweise Falschfahrer, stehengebliebene Fahrzeuge, Rauch oder verlorene Ladung automatisch als Risiken klassifiziert und nur bei solchen Ereignissen Bilder auf Alarmmonitore überträgt. Mit Hilfe der aufgeschalteten Videobilder kann das Personal die Verkehrssituation sehr schnell erfassen und beurteilen, so dass unverzüglich geeignete Maßnahmen eingeleitet werden können.

Ähnlich moderne Kameras werden an anderen besonders gefährdeten Stellen eingesetzt, etwa an der Allianz Arena, in der die beiden großen Münchener Fußballvereine ihre Bundesliga-Heimspiele bestreiten. Doch auch eine Vielzahl älterer Kameras ohne Sensorik musste integriert werden. Diese über Jahrzehnte hinweg installierten Kameras dienen vor allem der Überwachung wichtiger Straßen und Kreuzungen im Stadtgebiet.

Die Übertragung der Kamerabilder zur Verkehrsleitzentrale erfolgt digital. Um sie auf der Großbildwand anzeigen zu können, installierte Bosch in der Zentrale 204 Videodecoder, mit denen die digitalen Datenströme in analoge Videosignale umgewandelt werden. Weitere 16 Decoder und Bildschirme wurden in einem separaten Trainingsraum installiert, in dem die Operatorinnen und Operatoren der Zentrale geschult werden.

Da zwischen der Freigabe der für die Verkehrsleitzentrale benötigten Gelder durch den Stadtrat und der geplanten Eröffnung nur wenig mehr als ein Jahr lag, erfolgten Planung und Implementierung der gesamten Technik unter einem gewissen Zeitdruck. Zudem musste die Installation im Technischen Betriebszentrum während der laufenden Bauarbeiten erfolgen. Um eine rechtzeitige Fertigstellung gewährleisten zu können, bildete Bosch ein spezielles Projektteam aus einem Projektleiter, zwei Fachbauleitern und einem Systemspezialisten. Dieses Team war zwischen August 2011 und Februar 2012 ständig vor Ort, um die beteiligten Unternehmen zu steuern und, soweit erforderlich, Korrekturen an der Ablaufplanung vorzunehmen. So war es möglich, den engen Zeitplan einzuhalten und die neue Verkehrsleitzentrale termingerecht an das Baureferat als Betreiber zu übergeben. Aber auch nach der Übergabe ist Bosch im laufenden Betrieb für die Wartung des Großbildsystems, der USV-Anlagen und der ebenfalls installierten Lichtdecke verantwortlich. Diese sorgt für eine tageszeitabhängige Lichtfarbe und –helligkeit und somit für jederzeit angenehme Lichtverhältnisse.

 

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